Wie man die Europäische Union demoliert

Austrian National Bank Governor Nowotny listens during a news conference in Vienna
Austrian National Bank Governor Nowotny listens during a news conference in Vienna(c) REUTERS
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Die Zentralbank druckt tonnenweise Geld, das die neue Linke verschenken will. Siegt sie in Griechenland und anderswo, gibt es diese EU nicht mehr.

Ewald Nowotny weiß, wie man Sorgen zerstreut: „Wir haben unser gesamtes Pulver verschossen.“ Sagte er an dem Tag, nachdem er zwar brav, aber offenbar zögerlich der größten Gelddruckaktion der Europäischen Zentralbank zugestimmt hatte. Wenn diese Übung nicht gelingt, gibt es also keine Möglichkeit seitens der EZB mehr. Alles vorbei mit Währung, Wirtschaft und Euro. Danke für die klärenden Worte, Herr Nowotny.

Ab März wird die Europäische Zentralbank wie mehrfach berichtet also jeden Monat 60 Milliarden Euro in Staatsanleihen der Euroländer und in Unternehmensanleihen stecken. Das passiert 19 Mal. Die Kosten dieser volkswirtschaftlichen Operation am offenen Herzen veranschlagen wir bei 1,14 Billionen Euro. Und nicht einmal der Präsident der Notenbank wirkt so, als wäre er zu 100 Prozent überzeugt. Er hätte noch zugewartet...

In den südeuropäischen Ländern reagierten die Staatskanzleien hingegen ebenso begeistert wie jene, die in Europas sozialdemokratischen Parteizentralen das große Feindbild sind: die Aktien- und Finanzmärkte und die dazugehörigen Händler. Wenn die EZB Staatsanleihen aufkauft und so ihren Preis ins Irreale drückt, können sich zwei freuen: Spekulant und Finanzminister. Allerdings nur kurz.

Denn wie leicht das Experiment mit Millionen Versuchskaninchen schiefgehen kann, hat der Chefökonom dieser Zeitung, Josef Urschitz, klar und deutlich formuliert: Die Geldflut verbilligt die Finanzierung der Staatsschuld beziehungsweise hält sie weiter günstig. Somit sinkt der Druck, die Staatsschulden zu verringern beziehungsweise ihre Erhöhung abzuschwächen. Vor allem aber: Zu viel Geld gibt es da draußen bereits, und dennoch fehlen die notwendigen Investitionen der Wirtschaft, Unternehmer und Konzerne unterstehen nämlich nicht Mario Draghis Befehl, sondern folgen ihrer eigenen Markteinschätzung. Einiges spricht also dafür, dass auch das neue Geld im System – also in Banken und Börsen – stecken bleibt und nur eines bewirkt: dass die Aktien- und Immobilienblase größer und größer wird. Womit die Hilfsaktion die Situation deutlich verschlimmern könnte, da Blasen die ärgerliche Eigenschaft besitzen, irgendwann zu platzen. Was also wird nun mit großer Sicherheit passieren – oder ist längst geschehen? Der Ruf nach staatlichen und gesamteuropäischen Rieseninvestitionen auf Pump wird lauter und lauter. Die Schuldenberge sollen wachsen statt schrumpfen.

Unter anderem dafür setzt sich etwa in Griechenland der Favorit der morgigen Wahl ein. Siegt die griechische Syriza-Bewegung wie erwartet, wird dies Vorbild für alle Linksparteien auf dem Kontinent sein, sich (noch) weniger mit Staatsverantwortung oder Vernunft zu beschäftigen, sondern doch besser in Stimmung zu kommen und Wahlen zu gewinnen: Wähler, wir sparen nicht mehr, geben lieber euch und dem System Geld – auf dass es uns besser geht. Schnell zum Griechen ums Eck, Udo Jürgens sozialkritisches „Griechischer Wein“ anstimmen und nicht lang nachdenken.

Einen Vorgeschmack haben acht Mandatare von SPÖ und Grüne geliefert. In einem Video werben sie mehr oder weniger offen für die griechischen Linkspopulisten. Da heißt es dann schon einmal ganz schlicht: „Ländern Sparvorgaben zu machen ist der falsche Weg.“ Eine Abgeordnete der regierenden Kanzlerpartei stellt offen die gesamte Konstruktion der EU infrage. Maastricht? Defizitgrenzen? Weg damit. Es gehört nicht viel Vorstellungskraft dazu, sich auszumalen, was in den kommenden Monaten noch so alles infrage gestellt werden wird: Wozu freie Marktwirtschaft als zentrales Ziel der Union? Wozu überhaupt diese Union? Die neue Linke erledigt das, was die Rechts-außen-Rechte immer gern wollte: das Ende dieser EU.

Nein, das ist kein Horrorszenario, das passiert gerade alles. Hinterher sagen wir einfach, die bösen Banken waren es.

E-Mails an:rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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