Freuen wir uns kurz über ein Luftschloss genannt Steuerreform

Verhandluingsgruppe zur Steuerreform
Verhandluingsgruppe zur SteuerreformAPA (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Erfreulich: Die SPÖ verzichtet auf klassische Vermögensteuern, die ÖVP ist nicht umgefallen. Weniger erfreulich: Wir zahlen dennoch mehr – und lang.

In der kurzatmigen politischen Arena übersehen wir traditionell Wald und Bäume, da wir uns auf die lustigen Holzfäller konzentrieren. Michael Häupl, erste Interviewsphinx der Republik, verkündete in zwei Nebensätzen in einem lokalpolitischen Interview mit dem „Standard“ die Wende der Debatte um Steuerreform und politische Linie der Sozialdemokratie. Zitat Häupl: „Wenn man genau hinhört, sprechen alle von ,keine Vermögenssubstanzbesteuerung‘. Das ist ein Wegweiser, der zeigt, wohin es gehen kann.“ Einen Tag nach Erscheinen dieser lakonischen Bemerkungen musste der Sprecher Werner Faymanns die offizielle Drehung verkünden: „Wir gehen einen Schritt auf die ÖVP zu.“ Adieu, Vermögensteuer!

Norbert Darabos war über die neue Strategie Häupls nicht informiert und hatte daher noch kurz versucht, den Bürgermeister anderweitig zu interpretieren. Dafür wurde er von Häupl später am Freitag auch noch persönlich bedacht: Wenn es Darabos „gern hören will“, dann sage er, Häupl, eben: „Selbstverständlich bin ich für die Millionärssteuer, aber schön langsam werden wir halt sagen müssen, was das ist.“ So viel zur Stellung von Norbert Darabos und Werner Faymann in der SPÖ.

Aber das sind nur die kleinen Bäumchen und Wäldchen in der Innenpolitik. Wichtig ist vielmehr: Es ist gut, dass keine neue Vermögensteuer erfunden wird, um eine notwendige Lohnsteuersenkung zu finanzieren. Es ist noch besser, dass keine zusätzliche Vermögensteuer geschaffen wird, um Länder, Gemeinden und Bund einmal mehr aus der Pflicht zu nehmen, notwendige Sparmaßnahmen zu setzen. Es ist gut, dass die ÖVP in Gestalt ihres Finanzministers, Hans Jörg Schelling, diesmal nicht umgefallen ist und nicht auf dem vorletzten Meter zwecks Schutzes der eigenen Klientel und aus Angst vor Neuwahlen das Versprechen, keine neue Steuern einzuführen, gebrochen hat. Egal, wer wem wie etwas via Medien ausrichtet – dieser Verzicht ist angesichts der schwachen Performance dieser Koalition in den vergangenen Jahren eine sehr gute Nachricht. Es gibt da nur leider auch ein paar sehr schlechte.

Erstens: Natürlich wird weiter über die Besteuerung von erarbeitetem oder geerbtem Vermögen nachgedacht. Noch ist die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer auf meist bereits einmal besteuertes Vermögen nicht vom Tisch. (Häupl definiert sie Darabos-freundlich als nicht Vermögenssubstanzbesteuerung – anders als die Wirtschaftswissenschaft.) Vor allem denken SPÖ und ÖVP die Massenvermögensteuer ab einem gewissen Freibetrag an: Die Kapitalertragsteuer könnte demnach von derzeit 25 Prozent auf 30 bis 35 erhöht werden – etwa auf Aktiengewinne. (Sonst würde die Anlageform Sparbuch endgültig zum schwer verlustreichen Geschäft.) Absurderweise, aber in diesem Fall glücklicherweise, steht die Höhe dieser Vermögensteuer in der Verfassung, SPÖ und ÖVP brauchten die Opposition für diesen fiskalpolitischen Anschlag. Geben Grüne, Neos und FPÖ den Steigbügelhalter, können sie gleich aus dem Nationalrat austreten.

Es fehlen also weiterhin einige Posten in der Rubrik Finanzierung der Steuerreform – womit wir beim großen, bösen Wald wären: Da eine Einigung auf relevante Sparmaßnahmen und echte Strukturreformen mangels fehlender Bereitschaft fast aller handelnden Personen nicht möglich scheint, beginnt Schelling ein gefährliches Spiel. Um einen Beschluss der Lohnsteuersenkung zu erreichen, baut er die Steuerreform auf künftige finanzielle Effekte, eine mögliche wirtschaftliche Erholung und noch nicht absehbare Verhandlungserfolge. So will er unter dem Titel „Kampf dem Steuerbetrug“ mindestens eine Milliarde holen. Wenn das möglich ist, sei als unbedarfter Beobachter die Frage erlaubt: Warum haben wir das nicht längst getan? Großzügig sind auch die (Konsum-)Effekte der Steuersenkung angedacht: Bis zu einer Milliarde sollen sie diese so quasi selbst finanzieren. Noch optimistischer sind da die bis zu 1,5Milliarden veranschlagt, auf die Länder und Gemeinden bald verzichten sollen. Der Widerstand der Landeshauptleute ist deswegen enorm. Sollte Schelling an ihnen scheitern, bleibt die Steuerreform das, was sie bis jetzt ist: ein hübsches Luftschloss.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.