Die Identitätskrise der SPÖ

Werner Faymann
Werner FaymannReuters
  • Drucken

Die FPÖ-Frage könnte die SPÖ zerreißen. Den Konflikt so lang schwelen zu lassen rächt sich. Auch eine alte Freundfeindschaft ist ein Problem.

Im Oktober könnte Werner Faymanns Bilanz wie folgt lauten: zwei rote Bundesländer an die ÖVP verloren, ein rotes Bundesland fast vor dem Konkurs, ein Bundesland nur noch dank FPÖ-Hilfe unter SPÖ-Führung. In fast allen anderen ist die SPÖ nur noch eine Marginalie. Und das Wichtigste und Schlimmste zugleich: Die größte und wichtigste Bastion, das Rote Wien, ist sturmreif geschossen. Werner Faymann und die SPÖ haben ein wirklich ernstes Problem.

Noch nie zuvor haben zwei regionale Wahlen und ihre nachfolgenden Regierungsbildungen die innenpolitische Landkarte so verändert, eine Partei so schockiert und jeden politischen Beobachter derart überrascht. Im Burgenland verloren sie ihre Linie, in der Steiermark am Verhandlungstisch die Macht. Zwei Landeshauptleute schwächten Faymann auf ihre ganz persönliche Weise, obwohl er nach den schlechten Wahlergebnissen ohnehin schon in den Seilen hing.

Hans Niessl wollte schon lang mit der FPÖ und zog die Koalition in Rekordzeit durch, als hätte es den Parteitagsbeschluss gegen Rot-Blau und Nie-wieder-Faschismus-Rufe in der SPÖ nie gegeben. Franz Voves opferte den Sessel als Landeschef, um als Verhinderer der FPÖ in die Landeschronik einzugehen – und der SPÖ wohl die Niederlage vor Augen zu führen. Alfred Gusenbauer hat mit Salzburg und der Steiermark zwei schwarze Bundesländer umgedreht, Werner Faymann hat sie wieder verloren. Er sieht sich dennoch weiter fest im Sattel. Dort hatte sich noch jeder SPÖ-Chef gewähnt, bevor ihn das Pferd abwarf. Das Pferd könnte ausgerechnet aufgrund einer Debatte scheuen, die es für Faymann so nie gab. Die rot-blaue Option war für ihn ausgeschlossen. So hielten es seine Vorgänger seit 1986, so will es seine politische Heimat, die Wiener SPÖ. Doch viele andere wollen es nicht. In Oberösterreich würde die SPÖ – eine sichere Niederlage vor Augen – gern darüber abstimmen. Verteidigungsminister Klug, Steirer mit sehr großen Ambitionen, wollte die Karte auch in Graz spielen.

Die Parteispitze erklärt die Debatte, die erst begonnen hat, für beendet. Genau genommen drückt sie sich schon seit Jahren davor. In wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen sind sich beide Parteien näher als jeweils der ÖVP, beide umgarnen dieselben Wähler. Wirklich diskutiert wurde das Thema intern nicht: Was müsste die FPÖ erfüllen, um als Partner infrage zu kommen? Welche Personen gehen nicht? Was sind die Gemeinsamkeiten?

Faymann hat schon viele interne Krisen durchgestanden. Von den sieben Katzenleben hat er fast alle verbraucht. Ob und wann er gehen muss, hänge von einer Person ab, meinen viele in der SPÖ. Wenn Michael Häupl wolle, käme ein neuer Parteichef. Doch so leicht ist das alles nicht. Erstens wollte Häupl Ruhe für seinen Wahlkampf. Zweitens hat Faymann Unterstützung in Wien: Viele der großen Bezirke wie Simmering, Donaustadt und Floridsdorf haben ein gutes Verhältnis zu den Machtmenschen im Kanzleramt. Weniger positiv wird dort hingegen die Übermacht der kleinen „Akademiker“-Bezirke in der Stadtregierung gesehen, Häupls rote-grüne Koalition, die viel Geld für Prestigeprojekte innerhalb des Gürtels ausgab, noch weniger. Faymann und Häupl waren nie gute Freunde.

Viele in der SPÖ sehen die FPÖ-Variante als machtpolitische Notwendigkeit, um vor der ÖVP – siehe Graz – nicht in die Knie gehen zu müssen. Eine Option schließt die SPÖ übrigens aus: die Opposition. Nicht ganz unähnlich der ÖVP versteht sie sich quasi als automatische Regierungspartei. Die Sozialdemokraten sind auf Macht, Jobs und Geldverteilung angewiesen. Dafür gehen sie sogar eine Ehe mit der FPÖ ein. Dafür entledigen sie sich notfalls über Nacht ihres Parteichefs.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.