Die Furcht ist die größte Waffe der Terroristen

A policeman rides a camel while guarding the site at the pyramids plateau
A policeman rides a camel while guarding the site at the pyramids plateau(c) REUTERS
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Kein Urlaub ist es wert, sich in Lebensgefahr zu begeben. Trotzdem sollten wir uns nicht von Extremisten diktieren lassen, wohin man fahren „darf“.

Terror ist für den Großteil der Österreicher (glücklicherweise) etwas sehr Abstraktes. Man kennt zwar die Bilder von explodierten Autobomben aus Bagdad oder Kabul. All diese Probleme sind jedoch weit entfernt vom täglichen Leben. Anders ist dies just zur „schönsten Zeit“ des Jahres – während des Urlaubs. Da kommen auch die Österreicher in realen Kontakt mit dem Thema Terror. Sei es bei den verschärften Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen. Sei es bei der Frage, wie hoch die Gefährdung im gewählten Urlaubsland ist. Denn dass man am Strand erschossen werden kann, nur weil man als Tourist vor Ort ist, haben die jüngsten Anschläge in Tunesien mit 38 Toten leider wieder eindrücklich bewiesen.

Die Reaktion vieler Menschen auf diese Entwicklungen ist, dass sie diese Länder meiden. Das ist auch völlig verständlich und in Ordnung. Wer sich unsicher fühlt, wenn er nach Tunesien oder Ägypten reist, oder dies einfach nicht will, soll das auch nicht machen. Schöne Strände gibt es in EU-Ländern genug. Und die klassische Sommerfrische an einem heimischen See ist nicht nur gut für die persönliche CO2-Bilanz, sie stärkt auch die österreichische Volkswirtschaft. Es ist also keine negative Entwicklung, wenn sich die Menschen im Urlaub wieder vermehrt auf Ziele in der Nähe besinnen.


Problematisch wird das Ganze jedoch dann, wenn daraus plötzlich jene Stimmung entsteht, dass eigentlich gar niemand mehr in diese Länder fahren „dürfe“. So wie im Jahr 2008, nachdem ein Salzburger Pärchen in der tunesischen Wüste entführt und rund 250 Tage von einem al-Qaida-Ableger in Gefangenschaft gehalten wurde. Damals herrschte auf Leserbriefseiten und in Internetforen die Mehrheitsmeinung vor, dass die beiden selbst schuld seien, weil sie sich eben in keine übliche Urlaubsregion begeben haben und daher auch keine Hilfe des Staates bekommen sollten. Eine Argumentation, die an die ekelhafte und zynische Behauptung erinnert, Vergewaltigungsopfer seien selbst schuld, weil sie sich zu aufreizend gekleidet hätten.

Natürlich geht jeder ein unnötiges Risiko ein, der aus touristischen Gründen in Länder wie Somalia, Afghanistan oder den Irak fährt, für die eine eindeutige Reisewarnung ausgesprochen ist. Kein Urlaub, sei er noch so spannend, ist es wert, sich selbst in Lebensgefahr zu begeben.

Wer jedoch beispielsweise die – an sich als sicher geltenden – Tempelanlagen von Luxor in Ägypten besuchen will, soll dies auch 2015 machen können und dabei jede Unterstützung Österreichs erhalten, wenn doch etwas passieren sollte. Das persönliche Risiko für Leib und Leben muss ohnehin jeder für sich selbst tragen. Wie schnell sich die Situation in einem als sicher geltenden Land ändern kann, könnte leider schon bald die Türkei beweisen. Nach der jüngsten Eskalation im Kampf mit dem IS ist es nämlich naiv zu glauben, dass die Terroristen nicht auch dort schon bald touristische Ziele ins Visier nehmen werden – nicht zuletzt, um die Türkei wirtschaftlich zu schädigen.

Aus diesem Grund sticht auch das oft vorgebrachte „moralische Argument“ nicht, man könne doch nicht Urlaub in einem Land machen, in dem Gewalt und soziale Probleme herrschen. Nicht zu Unrecht wird Tourismus in der Ökonomie als Dienstleistungsexport gesehen. Wer ein Land bereist und dort Geld hinterlässt, schafft also Jobs und sorgt für eine Verbesserung der sozialen Lage in der Bevölkerung. Der Einbruch des Tourismus in Nordafrika hat ja auch den kaum beachteten Nebeneffekt, dass tausende Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben und ihre Familien nun nicht mehr ernähren können.


Die Entscheidung, wie viel Risiko man beim Reisen in fremde Länder (es gibt ja auch Kriminalität) eingehen will, muss jeder für sich selbst treffen. Als Gesellschaft sollten wir uns jedoch nicht von Extremisten diktieren lassen, wie groß unsere Welt ist. Denn damit würden wir uns der einzigen wirklichen Waffe der Extremisten beugen: so viel Furcht zu verbreiten, dass wir unsere freie und weltoffene Lebensart auf dem Altar der Sicherheit selbst aufgeben.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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