Die Teflon-Partei

(c) Fabrs
  • Drucken

Immer Opfer? Warum die Freiheitlichen ziemlich viele Freiheiten haben. Und warum ihnen die Ermittlungen wegen illegaler Parteienfinanzierung vermutlich bei der Wien-Wahl nicht nachhaltig schaden.

„Das Parlament ist kein Mädchenpensionat“, sagte Herbert Kickl vergangene Woche, als es um Geldstrafen für Ordnungsrufe im Nationalrat ging. Dem könnte man einiges entgegnen, unter anderem, dass der FPÖ-Generalsekretär vermutlich noch nie ein Mädchenpensionat von innen gesehen hat, aber wesentlicher wäre folgender sachdienlicher Hinweis: Wer so explizit für den rauen Ton eintritt, sollte den bitte auch aushalten.

Etwa wenn Zeitungen ihn anschlagen. Als der „Falter“ in einer akribischen Artikelserie jüngst über Ermittlungen zu verdeckter Parteienfinanzierung bei der FPÖ berichtete, war von blauer Coolness nämlich wenig zu merken: Der FPÖ-Justizsprecher verlangte, dass dieser „Missbrauch der Pressefreiheit“ sanktioniert werde, man beklagte weiters „Vernaderung“ und „Schmutzkübel-Aktionismus“. Dabei könnte sich die FPÖ die Aufregung getrost sparen. Denn die Vermutung lautet: Die Causa wird der FPÖ – zumindest in Wien – nicht nachhaltig schaden.

Und zwar nicht, weil an den Vorwürfen nichts dran wäre. Das weiß man schlicht noch nicht. Sie zu prüfen ist Sache der Justiz, die der Aufgabe hoffentlich gründlich und nun bald auch rasch (man ermittelt seit Ende 2012) nachkommt. Bis dahin wirkt die Causa jedoch – zum Glück für die FPÖ – kompliziert. Zur Erinnerung: Es geht um die Frage, ob über eine FPÖ-nahe Werbeagentur (Kärntner) Steuergeld in die blauen/orangen Parteikassen zurückgeflossen ist (eventuell bis nach Wien). Doch rund um diesen Kernvorwurf häufen sich kuriose Details: Kickl soll stiller Miteigentümer jener Agentur gewesen sein, die von der Kärntner Landesregierung kassierte – und zwar zu einem Zeitpunkt, als er sich schon von Jörg Haider getrennt hatte. Laut Kickl war die Teilhaberschaft da bereits beendet worden – mündlich, wie er sagt, während der andere Teilhaber von einem (verlorenen) Dokument spricht. Man kann sich aussuchen, was man seltsamer findet: Dass ein Haider-Gegner mit dem Haider-BZÖ Geschäfte macht oder dass jemand eine extrem lukrative Teilhaberschaft undokumentiert auflöst. Oder beides.

Ach, die FPÖ. Und noch etwas hilft der FPÖ in der aktuellen Causa. Sie hat das Glück derer, die sich öfter danebenbenehmen. Irgendwann gewöhnt sich das Publikum daran. Denn obwohl sich die FPÖ stets im Fadenkreuz der Kritik wähnt, lässt man ihr bei genauerer Betrachtung viel durchgehen: untergriffige Wortmeldungen, seltsame Facebook-Postings, Vorschläge mit begrenzter Praxistauglichkeit (Johann Gudenus forderte z. B. für Jihadismus-Prozesse pauschal eine Beweislastumkehr: „Die Person soll beweisen, dass sie nicht im Jihad war“). All das wird zwar (empört) kommentiert, aber im Ton schwingt auch stets ein „Ach“ mit: Ach, so ist sie halt, die FPÖ. Inhaltlich nicht ganz ernst genommen zu werden ist zwar nicht schön, aber es lebt sich damit angenehm. Die Partei, die sich so gern in die Opferecke stellt, genießt in Wahrheit einiges an (Narren-)Freiheit. Und wem das Kunststück gelungen ist, aus dem Hypo-Desaster (zumindest außerhalb von Kärnten) hinauszutänzeln, dem könnte das auch wieder gelingen.

Wie hoch der Teflon-Faktor der FPÖ ist, wird übrigens auch eine andere Entwicklung zeigen: Unter den vielen neuen Listen, die sich für die Wien-Wahl bilden, könnte eine serbische entstehen. Während die türkische Partei für Heinz-Christian Strache ein Wahlkampfgeschenk ist, kommt die angekündigte Plattform des Präsidenten der Österreich-Serbischen Gesellschaft eher ungelegen. Immerhin hat Strache die serbische Community einst heftig umworben – auch unter dem Motto: christliches Erbe versus Islam. Als sich im Vorjahr ein serbischstämmiger FPÖ-Bezirksrat lautstark verabschiedete, erkaltete jedoch die Sympathie, Strache habe ihn nur für den Stimmenfang gebraucht und sich um die Community nicht gekümmert, so der Mann, der auch über den rauen Burschenschafterton in der Partei klagte. Ob Kickl zum Abschied damals etwas über Mädchenpensionate gesagt hat, ist nicht überliefert.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.