Auf Wunder von oben dürfen wir nicht hoffen

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Themenbild(c) Erwin Wodicka
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Die Politiker stauen Reformen weiter auf, Österreich fällt zurück. Warten und klagen? Zum Flottmachen genügen zur Not gute Ideen und einfache Hebel.

Die Sache mit den Investitionen gibt Rätsel auf. So viel wissen wir: Österreichs Wirtschaft stagniert. Im Euroraum steigt das BIP pro Kopf, in Deutschland sogar kräftig, bei uns sinkt es, schon seit vier Jahren. Am meisten irritieren die Investitionen: Die Unternehmen setzen weniger Mittel für neue Maschinen, Fabrikshallen und Fahrzeuge ein. Und wenn sie Geld lockermachen, dann meist nur, um Abgenutztes zu ersetzen. Sie bauen nicht aus, rüsten zu wenig auf neue Technologien um. Das lässt sie schon bald alt aussehen, weniger produktiv und wettbewerbsfähig.

Fragt sich nur: Warum schneiden sie sich ins eigene Fleisch? Von den Granden der Wirtschaft heißt es unisono: Die Politik ist schuld! Hohe Abgaben, viel Bürokratie, große Unsicherheit, wie es mit der Regulierung weitergeht. In diesem Klima könne niemand mutig in die Zukunft blicken. So lautet das Klagelied, in vielen Strophen, aber mit dem immer gleichen Refrain. Es erschallt seit vielen Jahren.

Genau das aber macht stutzig. Denn dass uns ein hypertropher Föderalismus mit selbstherrlichen Landeskaisern wie ein zentnerschwerer Klotz am Bein hängt, ist wirklich nicht neu. Auch dass es Kinder von Arbeitern, Migranten und Bauern bei uns nur in raren Fällen auf die Uni schaffen, wissen wir längst. Fallen in Reden und Diskussionen solch schmissige Schlagwörter wie Verwaltungsreform und Lohnnebenkosten, wirkt das auf das Publikum so sedierend wie ein Fünfervalium. Das alles war schon großes Thema, als die heimische Wirtschaft noch prächtig gedieh und kräftig investierte. Was die Politik freilich nicht entlastet. Im Gegenteil: Probleme lassen sich nicht lösen, indem man sie über Jahrzehnte verschleppt. Aussitzen kann man Parteiquerelen, nicht aber Fehler im Bauplan des Systems.

Österreichs Wirtschaft ist wie ein Schlauchboot mit zu dünner Haut. Solange die Bucht der Seligen unter Flut stand, störte es nicht, dass spitze Steine auf dem Meeresgrund liegen: Das Boot flitzte trotzdem dahin. Seit sich aber das Wasser zurückzieht, hängt es fest und bekommt Risse. Schön langsam geht die Luft raus. Die Steine des Anstoßes sieht man nun deutlich, aber offenbar sind die Politiker zu schwach, um sie rasch wegzuschaffen. Was tun? Auf die Schnelle hilft nur flicken und flottmachen, das Boot zurück ins Wasser ziehen. „Perspektive Österreich“, eine neue große Studie von McKinsey, zeigt, wie das gehen kann – auch ohne den sehnsüchtig erwarteten Wurf einer großen Strukturreform. Nun mögen manche meinen: Typisch Unternehmensberater. Die trauen dem Staat halt nichts zu, also bleibt alles an uns Bürgern hängen. Doch da tut man den Burschen unrecht. Sie entlassen die Politiker nicht aus ihrer Verantwortung. Sie fordern freilich nur das, was der gelernte Österreicher von der Politik realistischerweise erhoffen kann: gezielte Förderungen, kleine gesetzliche Anstöße, Plattformen im Internet, Koordination von Initiativen. Und es stimmt: Viel muss aus der Wirtschaft selbst kommen.


Denn eines bleibt ja offen: Warum ist das Boot so dünnhäutig? Die heimischen Unternehmen waren durch den Boom im Osten verwöhnt. Ihre „kleine Globalisierung“ stößt an Grenzen. Die fernen Schwellenmärkte wie China und Indien, wo das Potenzial weit größer ist, sind ihnen fremd geblieben. Hier müssen wir aufholen, auch technologisch: In Deutschland und den USA investiert die Industrie schon ein Fünftel ihrer Forschung in die schlaue Fabrik von morgen, die alle Daten aus der Produktion sammelt und vernetzt. Mit solch teuren und riskanten Investitionen tun sich heimische Firmen schwer – einfach deshalb, weil sie im Schnitt viel kleiner als in Deutschland sind (und erst recht in der Schweiz). Aber diese Schwäche lässt sich überlisten: indem sie sich zusammentun und gemeinsam investieren.

Und indem sie Nischen suchen, in denen sie dank einer sehr guten Idee in Ruhe wachsen können. Solche Ideen kommen aus den technischen und medizinischen Universitäten, an die Unternehmen noch viel stärker andocken müssen. Fällt alles unter die Kategorie Kleinvieh? Mag sein. Aber wenn auf seinem Mist 30 Milliarden an Wertschöpfung gedeihen, sind wir schon einen guten Schritt weiter.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

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