Ein Wahlkampf im Schatten des Terrors

Das Modell „starker Mann“ oder lieber eine unabhängige Frau? Der Nachfolger Heinz Fischers wird an Heinz Fischer gemessen werden. Durchaus zu Recht.

Das Thema wird uns wohl (oder eher übel) noch längere Zeit erhalten bleiben: der Terror und die Terrorgefahr. Und die Flüchtlingskrise ebenso. Es werden vermutlich diese beiden Themen sein, zu denen sich die Kandidaten für die österreichische Bundespräsidentenwahl vorrangig äußern werden müssen, an denen sie gemessen werden, die möglicherweise die Wahl entscheiden werden.

Das mag eindimensional erscheinen. Aber das haben Wahlkämpfe oft an sich: dass sie von einem Thema überlagert werden. Das bestimmende im vergangenen Bundespräsidentschaftswahlkampf des Jahres 2010 war – neben der Debatte um Barbara Rosenkranz, die FPÖ-Kandidatin – jenes nach der Sinnhaftigkeit einer Bundespräsidentenwiederwahl und einer damit einhergehenden Verlängerung der Amtszeit. Ein Thema, das seither nicht mehr weiter erörtert wurde.

Ziemlich sicher wieder Erwähnung finden wird hingegen die Frage, ob das Amt des Bundespräsidenten überhaupt nötig ist oder nur der republikanischen Folklore dient. Wenn dieses Amt einen Sinn hat, dann hat Heinz Fischer, der amtierende Bundespräsident, diesen doch sehr gut erfüllt. Ein Türöffner für die heimischen Unternehmer im Ausland. Ein maßvoller Mahner zu Hause. Ein Volkspräsident zum Angreifen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Und auch wenn er die stete Neuauflage einer SPÖ-Kanzlerschaft mit ÖVP-Beteiligung mit Nachdruck verfolgte, ging er doch, wenn nötig, auch auf Distanz zu seiner (früheren) Partei, der SPÖ. In der Frage der Wehrpflicht etwa.

Der Nachfolger Heinz Fischers wird an Heinz Fischer gemessen werden. Und dieser war und ist – bei aller Kritik, vor allem die Vergangenheit betreffend – ein politischer Profi. Sein Hang zum Opportunismus, der ihm in früheren politischen Funktionen immer wieder angekreidet wurde, verkehrte sich in der Funktion des Bundespräsidenten in eine diplomatische Tugend. Dass derzeit (noch) kaum eine Debatte darüber stattfindet, das Bundespräsidentenamt abzuschaffen, hat also auch mit Heinz Fischer zu tun. Er hat dem Amt (wieder) ein unaufgeregtes, ernst zu nehmendes Profil verliehen.

Wer also wird – und kann – Heinz Fischer nachfolgen? Unter der eingangs erwähnten Prämisse, dass die Themen Terrorgefahr und Flüchtlinge weiter die Lage dominieren werden, spricht einiges für das Modell „starker Mann“. Das sieht man auch in der ÖVP-Zentrale so, weshalb es gegen eine allfällige Kandidatur Erwin Prölls diesmal keine Einwände gibt. Es gäbe dann – für die Parteiführung auch nicht gerade angenehm – zwar einen starken Mann in der Hofburg. Aber einen Wahlsieg hat Reinhold Mitterlehner jetzt auch einmal dringend nötig. Und ein Profi wäre Pröll jedenfalls.

Die Frage ist jedoch, ob der Machtmensch Erwin Pröll im gesamten Bundesgebiet mehrheitsfähig wäre. Das betrifft in noch stärkerem Maß Rudolf Hundstorfer, der im sozialdemokratischen Wiener Stadtgebiet zwar die nötige Street Credibility hätte – aber darüber hinaus? Noch dazu mit stetig steigenden Arbeitslosenzahlen.

Dann wäre da Alexander Van der Bellen. Sofern er antritt und in die Stichwahl kommt – dann würde wohl Hundstorfer auf der Strecke bleiben –, hätte er gute Chancen. Vor allem gegen Erwin Pröll: Die Grünen würden ihn wählen, die Roten, die Neos, ja sogar der eine oder anderen Schwarze, dem Pröll suspekt ist. Selbst bei den Freiheitlichen genießt der Professor seit jeher Ansehen, er müsste nur die Klippe „Wie hältst du's mit einer FPÖ-Regierungsbeteiligung?“ elegant umschiffen. Wen die FPÖ nominiert, ob etwa Josef Moser oder Norbert Hofer, ist auch noch ungewiss.

Und dann wäre da noch Irmgard Griss. Auch sie käme den Anforderungen recht nahe – und wäre doch anders: ein Profi, aber kein parteipolitisch wahrgenommener. Kein „starker Mann“, aber eine entschlossene Frau. Mit elitärem Habitus, aber bodenständig genug, um eine gewisse Volksnähe zu signalisieren. Nicht zuletzt, weil sie sich keiner Partei verbunden fühlen muss.

Wie auch immer. Es gab bei Wahlen schon schlechtere Kandidaten. Oder genauer gesagt: die Aussicht auf solche.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.