Die OMV und das Risiko von neuen Strategien

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OMV-Chef Rainer Seele untermauerte in der Vorwoche seine Strategie bei mehreren Auftritten mit Argumenten. Das taten seine Vorgänger aber auch.

Es war wieder einmal eine turbulente Woche für den heimischen Ölkonzern OMV. Am Freitag gab der erst im Vorjahr angetretene Aufsichtsratschef, Peter Oswald, überraschend seinen Rücktritt bekannt. Aus Zeitgründen. Sofort gab es jedoch Gerüchte, es könnte auch mit der umstrittenen Russland-Strategie von OMV-Chef Rainer Seele zusammenhängen. Diese wurde von Seele in den Tagen zuvor ja in mehreren öffentlichen Auftritten mit vielen Argumenten verteidigt. Ein Bild, das an seine Vorgänger erinnert.

Etwa an Wolfgang Ruttenstorfer, der 2011 in Istanbul seine Strategie erläuterte, die in der milliardenschweren Übernahme der Tankstellenkette Petrol Ofisi kulminierte: Die Türkei sei ein neuer Kernmarkt für die OMV. Wegen der Wachstumszahlen und ihrer Funktion als Brückenkopf nach Aserbaidschan, Turkmenistan und den Irak. Eine Gegend, die nicht zuletzt aufgrund des Prestigeprojekts der Nabucco-Gaspipeline für die OMV essenziell sei.

Nachvollziehbare Argumente. Dennoch gab es kritische Stimmen. Kam der Erwerb von Tankstellen nicht just zu einer Zeit, in der die OMV erklärte, mit dem Verkauf von Benzin nichts mehr zu verdienen? Und war Nabucco nicht konstant mit heftigem Gegenwind konfrontiert?

Zwei Jahre später war Nabucco Geschichte. Und die OMV reduzierte ihr Tankstellengeschäft wieder – etwa durch Verkäufe auf dem Balkan. Ruttenstorfers Nachfolger, Gerhard Roiss, präsentierte eine neue Strategie. Die Nachwehen des Arabischen Frühlings hatten die lukrative Förderung in Libyen und dem Jemen zum Erliegen gebracht. Das neue Motto lautete daher Versorgungssicherheit. Mit Milliarden kaufte sich der Konzern in der Nordsee ein. Damit werde man unabhängiger von politischen Wirren der arabischen Welt.

Erneut nachvollziehbare Argumente. Aber auch diesmal gab es kritische Stimmen. Ist die Produktion in der Nordsee nicht wesentlich teurer, sodass die Gewinne stark sinken werden? Und was passiert, wenn der Ölpreis nicht mehr auf dem damals konstant hohen Niveau von über 100 Dollar je Fass verharrt?

Drei Jahre später gibt es mit Seele wieder einen neuen OMV-Chef, der die Entscheidungen seiner Vorgänger erneut umdreht. Und auch er kann seine Strategie mit Argumenten untermauern. Denn die Nordsee wurde aufgrund des Ölpreisverfalls zum ökonomischen Mühlstein für den Konzern. Und die Türkei steckt im Schatten der Syrien-Krise selbst in politischen Turbulenzen.

Seele schlägt statt Süd oder Nord nun den Weg gen Ost ein. Russland lautet das neue Heilsversprechen. Putins Reich soll die Türkei im Reigen der Kernmärkte ersetzen. Dafür will sich die OMV in einem sibirischen Gasfeld einkaufen. Da sie dafür jedoch nicht genügend Geld hat, tauscht sie mit der Gazprom Vermögenswerte. Welche genau das sein könnten – etwa die Raffinerie in Schwechat oder heimische Gasspeicher –, sagt Seele bisher jedoch nicht.


Auch diesmal sind viele der Argumente für den Strategiewechsel gut nachvollziehbar. So kann in Russland günstig produziert werden, und der Asset-Tausch belastet die angespannte OMV-Bilanz nicht zusätzlich. Aber auch diesmal gibt es kritische Stimmen. Ist es wirklich schlau, sich gerade zu einer Zeit des neuen russischen Großmachtstrebens mit der Gazprom – also dem wirtschaftlichen Arm des Kreml – in ein Bett zu legen? Kann dies nicht dazu führen, dass die OMV für russische Interessen instrumentalisiert wird?

Und gibt es nicht auch direkte Risken? Denn dass der Kreml bei erkalteter Liebe böse werden kann, könnte sich Seele von seinem Pendant bei BP erzählen lassen. Der heutige BP-Chef, Bob Dudley, musste einst sogar Hals über Kopf aus Moskau flüchten, nachdem ein Streit mit dem russischen Staatskonzern Rosneft bei einem Joint Venture eskaliert war.

Natürlich sind strategische Entscheidungen von Spitzenmanagern immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Doch gerade deshalb ist es wichtig, bestehende Risken und Sorgen ausreichend und transparent zu diskutieren. Vor allem, wenn knapp ein Drittel des Unternehmens den österreichischen Steuerzahlern gehört. Eine Anforderung, die der neue Aufsichtsratschef der OMV erfüllen sollte.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2016)

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