Eine Regierung, die sehenden Auges auf die Wand zurast

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Das Dilemma um die drohende Kärnten-Insolvenz zeigt ein durchgängiges Muster österreichischer Politik: Probleme weiterschieben, bis sie explodieren.

Ob wir Steuerzahler den gesamten Hypo-Schaden oder ein bisschen weniger bezahlen müssen, werden wir heute Nachmittag erfahren: Da entscheidet sich, ob die Heta-Gläubiger dem von Finanzminister Schelling angebotenen 25-prozentigen Schnitt der landesbehafteten Heta-Anleihen zustimmen. Bis zuletzt wurde intensiv gepokert, weshalb man auch den im Vorfeld laut gewordenen Prognosen mit der notwendigen Vorsicht begegnen sollte. „Die Gans wird erst in den letzten fünf Minuten knusprig“, hat Commerzbank-Chef Martin Blessing zum Verhandlungsverlauf gesagt. Und der kennt sich in Küchendingen zweifellos aus. Hat er doch schon als Bankvorstand den einen oder anderen Salat angerichtet.

Wie auch immer: Im Vorfeld der Entscheidung war jedenfalls heftige Angst vor einer möglichen Insolvenz des Landes Kärnten zu spüren. Weil eine solche „unabwägbare Folgen“ nicht nur für das Land, sondern für die Bonität der gesamten Republik hätte, wie mit ernster Miene verkündet wurde.

Wieso eigentlich? Gebietskörperschaftsinsolvenzen sind international nichts Außergewöhnliches. In den USA sind Pleiten von Städten und Staaten, von Detroit bis Kalifornien, business as usual. Ohne dass dadurch die Welt untergeht oder sich auch nur das Rating der US-Staatsanleihen verschlechtert. Auch die Schweiz hat, um ein weiteres Beispiel zu nennen, mit der berühmt gewordenen Pleite der Gemeinde Leukerbad eindrucksvoll gezeigt, wie man so etwas ohne größere Flurschäden abwickelt.

Und wir können das nicht? Nein, erklärt man uns, wir haben nämlich kein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, weshalb jeder Schritt zu endlosen Rechtsstreitereien mit ungewissem Ausgang ausarten würde.

Ja, eh. Aber wir haben immer noch eine Regierung, die eine entsprechende Gesetzesvorlage ausarbeiten und einen Nationalrat, der diese dann per Mehrheitsbeschluss zum Gesetz hätte erheben können. So eine Vorlage für ein Gebietskörperschaften-Abwicklungsgesetz ist keine Raketenwissenschaft und unseres Wissens hatte die Regierungskoalition stets eine parlamentarische Mehrheit hinter sich. Wieso also ist das nicht geschehen? Die Situation ist ja keine ganz neue. Seit der Notverstaatlichung 2009 wird eigentlich permanent über eine Insolvenz der Hypo (die wegen der Haftungen automatisch eine Landsesinsolvenz auslösen würde) geredet. Der Aufsichtsrat der Bank hat eine solche (insgesamt steuerzahlerschonende) Pleite schon vor Jahren vorgeschlagen, ist damit aber hochkant aus dem Finanzministerium geflogen.

Vizekanzler Mitterlehner hat im Vorjahr gesagt, man benötige neben dem Bankenabwicklungsgesetz (Basag) auch ein Landesabwicklungsgesetz (Lasag). Man hatte jetzt also sieben Jahre Zeit, den immer als Drohkulisse über der Hypo hängenden großen Knall vernünftig zu regeln.


Dass man es nicht getan hat, ist leider kein Zufall, sondern zeigt ein durchgängiges Muster österreichischer Wirtschaftspolitik, die zum katastrophalen Reformstillstand geführt hat und dessentwegen uns schadensbetragsmäßig noch einige Hypos um die Ohren fliegen werden: Wir wissen, dass das Pensionssystem wackelt, aber die Regierung unternimmt so gut wie nichts. Wir kennen die Probleme des Gesundheitssystems, des teuren Föderalismus, der Ineffizienzen in der Verwaltung. Aber die Regierung unternimmt so gut wie nichts. So wie sie eben auch in Sachen Hypo/Heta seit sieben Jahren mit Vollgas ohne Ausweichbewegung auf eine für alle gut sichtbare Wand zurast.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Hauptverantwortlich für den Schaden sind die Haftungsorgien Jörg Haiders und seiner blau-orangen Spießgesellen. Aber dass wir am Ende so gelackmeiert dastehen, hat mit der Handlungsunfähigkeit der Regierungen Faymann I und Faymann II samt deren Finanzministern zu tun. Hoffentlich führt wenigstens dieser absehbare Crash dazu, dass einigen die Augen geöffnet werden. Und zeigt ihnen, dass das gewohnte „kicking the can down the road“ keine Strategie für die Führung eines Staates ist.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2016)

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