Römische Arena auf dem Rathausplatz

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Die SPÖ-Kundgebungen zum 1. Mai könnten zur vorgezogenen Abstimmung über Werner Faymann werden. Der linken Wiener Anti-Faymann-Front steht allerdings eventuell ein böses Erwachen bevor.

Die Frage ist nicht, ob es heute, am 1. Mai, Protest geben wird, sondern nur, wie laut er wird. Die Spekulationen im Vorfeld waren jedenfalls heftig, was für Werner Faymann aber nur gut ist. Denn sollte es doch nicht so arg werden, schimmert auch die Niederlage ein wenig wie ein Sieg.

Wird es hingegen richtig schlimm, mutiert der Rathausplatz zur römischen Arena. Dann wird – mit Daumen rauf oder runter – gleich dort und nicht erst im Herbst über die Führung der Partei abgestimmt. Für jene, die Faymann loswerden wollen, ist dieser 1. Mai die Gelegenheit, Fakten zu schaffen. Denn auch der Wiener Bürgermeister steht nur so lang hinter dem Kanzler, solang er glaubt, dass dessen (vorläufiger) Verbleib der Ordnung dient. Sollte sich dieser Eindruck heute ändern, fallen bürgermeisterliche Loyalitätsbekundungen rasch in die „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“-Kategorie.

So ein Schwenk sieht zwar nicht schön aus, aber unter diesen Umständen könnte ein weiteres Zuwarten noch hässlicher werden: für die SPÖ (und für Häupl). Dabei hat der Wiener Bürgermeister ja theoretisch recht: Eine überstürzte Personaldebatte ohne neue Strategie, direkt nach einer Wahlniederlage hat nicht viel Sinn. In der Praxis herrscht jedoch derzeit eine Stimmung, die sich um Theorie wenig schert. Daran ändert auch eine vom Kanzler gestern, Samstag, eilig angekündigte Arbeitsgruppe nichts. „Auch wenn Werner Faymann übers Wasser gehen könnte, es würde nichts mehr helfen“, sagt ein hochrangiger Wiener Genosse.

Allerdings gibt es einen Punkt, den vor allem der linke Wiener Anti-Faymann-Flügel bislang offenbar ausblendet: Denn nur weil derzeit bundesweit viele Genossen den Parteichef weghaben wollen, heißt das noch lang nicht, dass alle den härteren Asylkurs der SPÖ schlecht finden. Vielmehr eint die Antipathie gegen Faymann ideologisch sehr verschiedene Fraktionen. Nicht umsonst mehrten sich in der vergangenen Woche – vor dem Hintergrund der aus SPÖ-Sicht desaströsen Bundespräsidentenwahl und mit der Aussicht auf Neuwahlen – die Stimmen, man müsse mit dem „Dämonisieren der FPÖ“ aufhören. Und stattdessen „offen und tabulos“ über den Umgang mit der FPÖ diskutieren. Was das heißt? Nun, dass man Tabus brechen kann. Die einen wie der ÖGB-Präsident sagen deutlich, dass man über den Ausschluss von Rot-Blau noch einmal reden müsse. „Man kann die 35-Prozent-Hofer-Wähler nicht ins rechte Eck rücken“, so Erich Foglar im „Profil“. Andere wie Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser plädieren zumindest für mehr Klarheit in diesem Punkt.

Wiener (Seifen-)Blase. Für die linke rote Wiener Blase könnte das ein böses Erwachen bedeuten, nämlich, wenn am Schluss der geforderten Grundsatzdebatte feststeht, dass ihre Positionen bei der Basis nicht mehrheitsfähig sind. Immerhin hat die SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten alle Verschärfungen in der Asylpolitik mitgetragen. Im Extremfall führt der Wunsch nach mehr Klarheit zur Einsicht, dass sich in der (Bundes- und in der Wiener) Partei zwei Lager gegenüberstehen, die nicht mehr allzu viel miteinander zu tun haben. Dem neuen SPÖ-Parteichef, wie immer er (oder sie) heißt, kann man dann nur viel Glück wünschen.

Und trotzdem führt an der internen Bestimmung der roten Richtung kein Weg vorbei. Denn wenn die SPÖ weiter herumlaviert, werden bei der Nationalratswahl jene SPÖ-Wähler, die fix die FPÖ verhindern wollen, die Grünen wählen. Und die anderen, die die FPÖ eigentlich ganz okay und Norbert Hofer nett finden, gleich für Heinz-Christian Strache votieren.

Apropos nett: Eigentlich wäre es angebracht, dass sich in die vielen Protestnoten, die die SPÖ-Spitze in diesen Tag erhält, auch ein Dankesschreiben mischt. Absender: Reinhold Mitterlehner. Der rote Zwist hat dem Noch-ÖVP-Obmann eine Medienpause verschafft. Zumindest eine kurze.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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