Die Registrierkasse und die Fragen, um die es eigentlich gehen sollte

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Alle diskutieren über Umsatzgrenzen. Fragen sollte man sich aber, warum manche Unternehmer nicht anders können, als schwarz zu kassieren.

Man muss das erst einmal können: Da macht man die „größte Steuerreform aller Zeiten“ (sagt die Regierung) und verbockt sie dermaßen. Um fast fünf Milliarden Euro werden die Lohnsteuerzahler entlastet, dem Durchschnittsverdiener bleiben seit Anfang 2016 monatlich 75 Euro netto mehr, aber seit Monaten gibt es nur ein Thema: die Einführung der Registrierkassenpflicht.

Es gäbe tatsächlich viele gute Gründe, sich über diese Steuerreform aufzuregen. Etwa über die Erbschafts- und Schenkungssteuer für Immobilien, die innerhalb der Familie weitergegeben werden. Wer sich beispielsweise in Wien nach Jahren des Sparens und des Verzichts eine Wohnung gekauft hat und sie seinen Kindern vererbt, muss für diese Steuer noch einmal sparen: Eine 100-Quadratmeter-Terrassenwohnung ist schnell 700.000 Euro wert (auch das ein Zeichen für politisches Versagen, weil man über Jahrzehnte mit der Wohnbausteuer lieber Budgetlöcher gestopft hat, statt günstigen Wohnraum zu schaffen). Und für diese 700.000 Euro zahlt man seit Jänner eine Steuer in Höhe von 14.750 Euro. Wohlgemerkt für etwas, was man bereits mit hoch versteuertem Geld angeschafft hat!

Aber diese Steuer hat man in Österreich zähneknirschend zur Kenntnis genommen, genauso wie die Anhebung der Kapitalertragsteuer auf 27,5 Prozent oder die Erhöhung der Immobilienertragsteuer auf 30 Prozent. Doch wenn auf einmal mit einer Registrierkasse alle Steuern bezahlen sollen, dann scheint das das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Diesen Eindruck muss man relativieren. Eine Registrierkasse an sich ist nichts Verwerfliches, man muss allerdings die Relation sehen: Derzeit dreht sich die große Debatte darum, ob man die Umsatzgrenze, ab der eine manipulationssichere Kasse zu führen ist, von 15.000 Euro auf 30.000 Euro anheben soll. Selbst die Verdoppelung ist noch ein Bagatellbetrag: Welches Gasthaus, welche Werkstatt, welcher Friseurbetrieb lässt sich schon mit einem Umsatz von 2500 Euro pro Monat halbwegs rentabel führen?

Kein Wunder, dass sich die Unternehmen schlecht behandelt fühlen, wenn sie wegen ein paar unter der Budel ausgeschenkter Schnäpse oder ein paar schwarz geschnittener Haare vom Finanzamt verfolgt werden, während gleichzeitig internationale Konzerne ganz legal ihre Milliardengewinne an den Steuerbehörden vorbei ins Steuerparadies transferieren.

Die Besitzer der Gasthäuser, die in den vergangenen Monaten wegen der Registrierkassenpflicht zugesperrt haben, wohnen ja nicht in Villen in Wiens Nobelbezirken oder fahren Porsches und Ferraris, sondern können ihr Unternehmen offenbar nicht anders finanzieren, als einen Teil der Einnahmen an der Steuer vorbei zu kassieren.

Das sollte das eigentliche Thema bei der Debatte über die Registrierkassenpflicht sein, nicht Umsatzgrenzen: Hat ein Kleinunternehmer in Österreich keine Chance, wenn er ehrlich ist und all seine Steuern bezahlt? Sind die Steuern vielleicht zu hoch, die Auflagen unverhältnismäßig streng und an der Zahl viel zu viel? Kaum ein Unternehmer ist gern unehrlich oder geht bereitwillig das Risiko der Steuerhinterziehung ein. Aber offenbar wissen sich manche in diesem Staat nicht anders zu helfen, um überleben zu können.


Die aktuelle Diskussion ist natürlich auch ein Beweis für die Hilflosigkeit der involvierten Politiker. Die Kassenpflicht wurde nicht erst vergangene Woche erfunden, sondern ist seit mehr als einem Jahr bekannt und umstritten. Im März 2015 haben die ÖVP-Gremien – und damit die Landeshauptleute, die jetzt besonders laut gegen die Kassenpflicht auftreten – für die Steuerreform inklusive Registrierkasse gestimmt. Vorausschauendere Politiker hätten damals noch vor dem Beschluss im Parlament Änderungen vorgenommen und sich so die monatelange, peinliche Debatte erspart, die die ganze Steuerreform überschattet hat. Konsequentere Politiker wären einfach zu dem Pakt gestanden.

Finanzminister Hans Jörg Schelling hat jedenfalls gelernt, wie viel Rückhalt er sich von seinen Parteifreunden erwarten kann.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2016)

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