Wenn sich Österreich unattraktiv macht

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Oberösterreich reduziert die Mindestsicherung für Asylberechtigte - und bricht Völkerrecht. Dabei wären Kürzungen von monetären Sozialleistungen sinnvoll, allerdings auch für Österreicher.

Migranten und Flüchtlinge, die sich im vergangenen Jahr nach Europa wagten, zog es vor allem nach Deutschland, Schweden und Österreich. Das hatte rationale Gründe. Erstens hielten die drei Staaten lange Zeit ihre Tore offen, und zweitens galten sie als wohlhabende Schlaraffenländer mit äußerst großzügigen Wohlfahrtssystemen.

Spätestens seit Beginn des Jahres, als angesichts der vielen ungehindert ins Land strömenden Flüchtlinge Anzeichen eines Überforderungssyndroms nicht mehr zu übersehen waren, begannen Politiker zwischen Wien, Linz und Eisenstadt, die Attraktivität Österreichs bewusst zu senken. Sie machten Österreich gewissermaßen hässlicher, nahmen Image-Kollateralschäden in Kauf und gossen ihr erklärtes nationales Ziel, weniger Flüchtlinge ins Land zu lassen, sogar in eine Obergrenzenzahl: 37.500.

Das alles spielte sich nicht nur auf symbolischer Ebene ab: Die Bundesregierung orchestrierte im März unter Führung von VP-Außenminister Sebastian Kurz die Schließung der Balkanroute, und Ende vergangener Woche beschloss das schwarz-blau geführte Oberösterreich nun tatsächlich, die Sozialleistungen für Flüchtlinge zu kürzen.

Die beiden Maßnahmen sind unterschiedlich zu bewerten: Das Abdichten der mazedonisch-griechischen Grenze hat Europa in Ergänzung zu dem kurz später erfolgten Abkommen mit der Türkei die Möglichkeit verschafft, Ordnung ins anarchische Migrationssystem zu bringen. Seither strömen deutlich weniger Flüchtlinge in die EU. Wie lange der mazedonische Wall und der Deal mit Ankara halten, wird sich noch weisen.


Rechtsbruch. Die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte wird jedoch kaum Bestand haben. Denn damit bricht Österreich internationales Recht. In Artikel 23 und 24 der Genfer Konvention ist unmissverständlich festgeschrieben, dass Flüchtlinge in der öffentlichen Fürsorge genauso zu behandeln sind wie Staatsangehörige. Eine Diskriminierung ist unzulässig.

Geboten wäre jedoch eine Diskussion darüber, ob die Sozialleistungen in ihrer jetzigen Form nicht insgesamt, also auch für österreichische Bürger, zu hoch angesetzt sind. Wer mangelhaft ausgebildet ist und lediglich Aussicht auf einen schlecht bezahlten Job hat, kann in Wien schnell zum Schluss kommen, dass es sich gar nicht auszahlt zu arbeiten. Die Differenz zwischen der Stütze und einem niedrigen Einkommen ist mittlerweile zu gering. Offenbar fehlt dort und da der Druck, angebotene Arbeit auch anzunehmen. Niemand will Menschen in Armut abgleiten lassen, aber vielleicht wären Sachleistungen manchmal sinnvoller als Geldauszahlungen, die bekanntlich auch gern an Verwandte im Ausland überwiesen werden.

Zu überdenken ist auch, wie gescheit es ist, Dotierung und Ausgestaltung des Sozialstaats weiterhin den Bundesländern zu überlassen. Sind die Unterschiede zu groß, wird es das Phänomen der Einwanderung in Sozialsysteme bald innerhalb Österreichs geben, von Bundesland zu Bundesland. Das sind Diskussionen, die man hierzulande auch einmal unabhängig von der emotional aufgeladenen Flüchtlingsfrage führen sollte.

christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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