So unrecht hat Christian Kern ja nicht, aber...

BK KERN BEI UNO-GENERALVERSAMMLUNG IN NEW YORK
BK KERN BEI UNO-GENERALVERSAMMLUNG IN NEW YORK(c) APA/BKA/ANDY WENZEL
  • Drucken

Eine ökologische Steuerreform ist nicht unbedingt eine schlechte Idee, wenn man ein paar ganz wesentliche Kriterien berücksichtigt.

Man müsse das gesamte Steuersystem ökologisieren. Fossile Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl müssten mit einer Abgabe belastet werden, um zweierlei Ziele zu erreichen: einen schonenderen Umgang mit Energie und damit der Umwelt sowie die Möglichkeit, andere Bereiche steuerlich zu entlasten. Als Nebeneffekt würden in den kommenden Jahren zudem 90.000 neue „grüne“ Jobs entstehen.

Nein, das sind nicht etwa krause Aussagen der Grünen oder Forderungen von SPÖ-Chef, Bundeskanzler Christian Kern, der Ende des Jahres eine große Reform des Steuersystems mit einem Schwerpunkt auf Ökosteuern präsentieren will. Die Idee einer „Ökologisierung des Steuersystems“ kam im Jahr 2010 von Josef Pröll, damals Finanzminister und Obmann der ÖVP.

So abstrus und unternehmerfeindlich können Ökosteuern also gar nicht sein, wenn sie sogar der Chef einer Wirtschaftspartei überlegt (geworden ist aus Prölls Vorhaben freilich nichts, im besten Fall hat er ein paar Bäumchen gepflanzt). Tatsächlich wäre ein solcher Umbau unseres Steuersystems sogar ein durchaus vernünftiger Weg, wenn man ein paar ganz wesentliche Punkte berücksichtigt.

Erstens: Führt man neue Steuern ein, muss man im Gegenzug andere Steuern senken. Und zwar 1:1, da kann es keine Kompromisse geben. Und natürlich gehören an erster Stelle die Lohnsteuern gesenkt. Der Anteil der Steuern und Abgaben an den Arbeitskosten eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners lag hierzulande 2015 laut OECD bei 49,5 Prozent. Noch einmal, um das richtig zu verstehen: Der Staat kassiert die Hälfte von dem, was ein Arbeitgeber für einen Arbeitsplatz bezahlt! Im OECD-Schnitt sind es 35,9 Prozent. Die Belastung der Arbeit mit Steuern und Abgaben liegt in Österreich also um mehr als ein Drittel höher als in der OECD.

Die stetige Forderung nach einer Entlastung der Unternehmen hat nichts mit Kapitalismusfreundlichkeit zu tun, sondern damit, dass es Unternehmen sind, die Arbeitsplätze schaffen. Ihnen muss man einen attraktiven Standort bieten, sonst schaffen sie diese Arbeitsplätze in einem anderen Land.

Zweitens: CO2-Steuern funktionieren nur im europäischen Gleichklang und nur mit speziellen Regelungen für die Schwerindustrie. Mit einem Alleingang würde Österreich lediglich Industriebetriebe ins Nachbarland treiben und damit doppelt verlieren: Arbeitsplätze und Wertschöpfung wären weg – und bei schlechtem Wind bläst es die Abgase vielleicht erst recht wieder zu uns.

Nimmt die EU ihr Ziel einer Reindustrialisierung Europas mit einer Wertschöpfung von 20 Prozent im Jahr 2020 ernst, dann wird sie CO2-Steuern entsprechend gestalten müssen. Seit 2007 gingen in der Industrie bereits etwa vier Millionen Arbeitsplätze verloren, mit falschen Ökosteuern übersiedelt nicht nur die Voest am nächsten Tag sofort nach Texas.

Und dazu gehört drittens: Natürlich wird diese Steuer, wenn sie wirklich erfolgreich ist, irgendwann gegen null gehen. Denn die Unternehmen werden ihren Energiebedarf optimieren und umstellen, und dafür darf man sie nicht dadurch bestrafen, dass man zur Deckung des Einnahmenausfalls neue oder höhere Ökosteuern erfindet.


Das führt zur nächsten Dauerforderung: Der Staat wird anfangen müssen zu sparen. Und zwar schnell, wenn er ein anderes Versprechen wahr machen will, nämlich die kalte Progression abzuschaffen. Die „größte Steuerreform aller Zeiten“ (© Bundesregierung) war nämlich nur eine Teilrückvergütung der in den vergangenen Jahren angefallenen Zusatzeinnahmen durch diese heimliche Steuererhöhung. 2018 hat die kalte Progression die „größte Steuerreform aller Zeiten“ schon wieder aufgefressen. Das wird dazu führen, dass sich die Österreicher weniger leisten können und damit die Wirtschaft schwächen.

Eine Anpassung aller Lohnsteuerstufen und damit auch aller Einkommen an die Inflation, wie es die ÖVP fordert und die SPÖ ablehnt, ist die Nagelprobe für Christian Kern. Wenn er sie besteht, kann man ihm vielleicht auch die Ernsthaftigkeit seiner anderen Anliegen glauben.

E-Mails an:norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.