Trumps mangelnde Eignung fürs US-Präsidentenamt ist offenkundig. Nach dem TV-Duell mit Clinton muss man sich sogar fragen, ob er debattenfähig ist.
Donald Trump hat eine tiefe Sehnsucht nach Oberflächlichkeit – und das auch nie verheimlicht. „Der Tag, an dem ich begriff, dass es smart sein kann, oberflächlich zu sein, war eine tiefe Erfahrung für mich“, schrieb er 2004 in seinem prahlerischen Bekenntnisbuch „Wie man reich wird“. Im Fernsehduell mit Hillary Clinton stellte der republikanische Präsidentschaftskandidat seine triviale Geistlosigkeit 90 Minuten lang eindrucksvoll unter Beweis. Dass dieser Mann nicht geeignet wäre, eine Supermacht wie die USA auch nur einen Tag lang zu führen, dürfte halbwegs Vernunftbegabten in hellen (und zornbefreiten) Momenten schon länger klar sein. Spätestens seit der ersten direkten TV-Auseinandersetzung mit der US-demokratischen Bewerberin für das Weiße Haus muss man sich jedoch fragen, ob Trump überhaupt fähig ist, in zusammenhängenden und sinnerfüllten Sätzen eine Diskussion zu führen, die über den Austausch aggressiver Einzeiler hinausgeht. Seine Aufmerksamkeitsspanne endet offenkundig relativ bald nach den 140 Zeichen eines Tweets.
Der Mann verfügt über den aktiven Wortschatz eines 13-Jährigen und benimmt sich auch diesem Alter entsprechend unbeherrscht, vor allem, wenn er bei einer seiner Lügen ertappt wird. „Stimmt nicht“, mault Trump dann trotzig. Wie ein Schulbub, der zu wenig für die Prüfung gelernt hat, verhielt er sich auch nach seinem missglückten TV-Duell mit Clinton. Erst beklagte sich Trump über ein schlecht funktionierendes Mikrofon, dann über den Moderator. Nur er selbst hatte natürlich einen „wunderbaren“ Auftritt hingelegt. Ein dermaßen kindlicher und narzisstischer Charakter wie er, ein derart ungebildeter Rüpel und primitiver Provokateur wie er hat im Weißen Haus nichts verloren. Wer ihn wählt, riskiert die Selbstisolation der USA, einen Absturz in Provinzialismus, letztlich den Anfang vom Ende einer Weltmacht, die Trump angeblich „wieder groß“ machen will. Wer diesen Mann an den atomaren Knopf lässt, gefährdet die Sicherheit der Welt.
Wut, Frust und Zorn auf die Eliten haben Trump nach oben gespült. Der Wunsch der Amerikaner nach einem Wandel ist groß. Deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung sieht die USA auf dem Holzweg. Die Gezeiten der Macht sprächen nach acht Jahren Barack Obama deutlich für die Republikaner. Und mit fast jedem anderen Kandidaten wäre ihnen der Sieg bei den Präsidentschaftswahlen nicht zu nehmen. Denn Hillary Clinton ist äußerst unbeliebt. Die ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin verkörpert wie keine andere das verhasste Establishment, ihre aalglatte Professionalität stößt viele ab.
Doch die intellektuelle und handwerkliche Eignung für das höchste Amt können ihr nicht einmal größte Kritiker ernsthaft absprechen. Seit Jahrzehnten war auf diesen Job niemand so gut vorbereitet und beschlagen sowohl auf innen- als auch auf außenpolitischem Feld wie Hillary Clinton. Das demonstrierte sie auch bei der TV-Debatte mit Trump. Anders als ihr Gegner, dessen Angriffe sie gnädig belächelte, war die US-Demokratin von der ersten bis zur letzten Minute sattelfest. Auch im Schlagabtausch hinterließ Clinton einen geistesgegenwärtigeren Eindruck. Sie trieb den Republikaner in die Defensive, traf seine wunden Punkte, führte seinen Rassismus und Sexismus vor, seinen außenpolitischen Analphabetismus, seine Putin-Freundlichkeit, seine charakterlichen Defizite.
Trump war anfangs sichtlich bemüht, sich gesittet zu geben. Doch der Vorsatz hielt nicht lang. Ein paar insistierende Bemerkungen Clintons zu seiner fehlenden Steuererklärung genügten, um den angeblichen Freund des kleines weißen Mannes zu provozieren und außer Tritt zu bringen. Clinton indes servierte die E-Mail-Affäre, ihre größte Angriffsfläche, mit nur einem Satz ab: Indem sie sich entschuldigte. Trump war offenbar so erstaunt darüber, dass er nicht nachsetzte und danach auch noch andere Chancen liegen ließ. Doch mehr als einen Punktesieg errang Clinton nicht. Trump kann immer noch gewinnen. Die Schlacht ums Weiße Haus ist sechs Wochen vor dem 8. November offen. Das ist angesichts der Option Trump erschreckend genug.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)