Und wahr bleibt: Wir müssen uns schon selbst helfen

NATIONALFEIERTAG 2016: COMMENDA / DOSKOZIL / MITTERLEHNER / KERN
NATIONALFEIERTAG 2016: COMMENDA / DOSKOZIL / MITTERLEHNER / KERN(c) APA/HANS PUNZ
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Der Nationalfeiertag im Halloweenkostüm: Bürgerkriegsrhetorik, steigende Sicherheitsbudgets, kein Bundespräsident und eine uneinige EU. Gruselig.

Bald vier Monate hat Österreich nun schon keinen Bundespräsidenten mehr. Am gestrigen Nationalfeiertag wurde das, wie etwa schon bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele, wieder einmal für eine breitere Öffentlichkeit augenfällig. Nicht schlimm, meinen viele. Das höchste Amt des Staates für überflüssig zu halten gehört fix zur innenpolitischen Folklore. Gleich nach dem Bundesrat und deutlich vor den Landtagen rangiert da das Staatsoberhaupt, wenn die staatliche Organisation nach Streichkandidaten abgeklopft wird.

Nun gibt es immerhin eine einzige positive Auswirkung der unsäglichen Trias aus Wahlanfechtung, Wahlaufhebung und Wahlverschiebung. Man konnte diese herumwabernde Grundthese („Braucht eh niemand den in der Hofburg“) einmal in der Praxis ausprobieren, ohne das Amt verfassungsrechtlich antasten zu müssen.

Und irgendwie knirscht es nicht nur protokollarisch, wenn an einem 26. Oktober extra darauf hingewiesen werden muss, dass Nationalratspräsidentin Doris Bures „nur“ als erste Repräsentantin des Parlaments, nicht aber des Staates, vor 1200 Rekruten das Wort ergreift, dann Bundeskanzler Christian Kern als Vertreter des Präsidenten (War das nicht die Chefin des Parlaments?) die Meldung der Truppe entgegennimmt. Und wenn man fast erleichtert ist, dass in der ersten Reihe der nunmehrige Altpräsident Heinz Fischer dem Staatsakt mit seiner Anwesenheit einen Anschein von Vollständigkeit und Legitimität verleiht.


Auch die beiden ewigen Kandidaten für die Hofburg nutzten den Feiertag für ihre Zwecke: Alexander Van der Bellen, den die Mehrheit der Österreicher als Bundespräsidenten wollte, sitzt betont staatstragend beim offiziellen Teil auf dem Heldenplatz. Norbert Hofer, als Mitglied des Nationalratspräsidiums derzeit nominell quasi so etwas wie Drittelpräsident, nutzt zeitgleich schräg gegenüber den Tag der offenen Tür im Parlament, um Wählerhände zu schütteln. Und so in der Rolle des Herausforderers Distanz zum offiziellen Österreich auf dem Heldenplatz zu halten.

Aber auch wenn man den wieder einmal über Bürgerkrieg schwadronierenden FPÖ-Chef, Heinz-Christian Strache, am besten ignoriert (dass sein Pendant in den USA, Donald Trump, zeitgleich sogar einen Weltkrieg als Drohszenario bemüht, passt ins Bild und entspricht den Größenverhältnissen), hätte man trotzdem lieber nicht monatelang ein Provisorium an der Staatsspitze.

Hinter diesen unsinnigen Angstbildern der Demagogen versteckt sich an diesem Nationalfeiertag 2016 die traurige Realität der in Zahlen gegossenen Politik: Nicht etwa die Budgets für Bildung wurden am signifikantesten erhöht, um Kindern eine zeitgemäße Ausbildung zu ermöglichen, oder jene für Technologie und Infrastruktur, um den Standort Österreich im Wettbewerb zu halten, oder vielleicht gar die Mittel für Kunst und Kultur, die seit jeher über Umwege überproportional und auf allen Gebieten zu einer Weiterentwicklung der Gesellschaft beitragen. Nein, vor allem die Sicherheit ist uns wirklich mehr wert. Das Innen- und das Verteidigungsministerium sind die großen Nutznießer der Flüchtlingskrise. Wenn es auch notwendig ist, in diesem Bereich ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen – es bringt uns in den wichtigsten Zukunftsfeldern überhaupt nicht weiter.

Dazu passt auch das Bild von einem gemeinsamen Europa, das unsere Regierung eifrig mitzeichnet: Statt der Rückzugsvariante „Festung Europa“, die zumindest nach innen noch großzügig und offen sein kann, wird als favorisiertes Modell für den Kontinent nun eine Art Kleingartensiedlung angestrebt: nach außen streng abgeschottet, mit einer Hand immer am Polizeinotruf, während man im Inneren misstrauisch die Aktivitäten der Nachbarn durch die Ritzen in der Thujenhecke beobachtet.

Wen vor dieser Entwicklung gruselt, der sollte nicht auf die derzeit dezimierte Staatsspitze hoffen. Und auch nicht – wie manch einer – auf nächsthöhere Instanzen. Weil so viel auch nach dem Feiertag wahr bleibt: Wollen wir etwas ändern, müssen wir uns schon selbst helfen.

E-Mails an:florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2016)

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