Der herbeifantasierte Generationenkonflikt

Opa und Enkel im Wasser der Nordsee
Opa und Enkel im Wasser der NordseeAPA/dpa/Carmen Jaspersen
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Die Bruchlinie verläuft nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Jungen und einer unverantwortlichen Alt-Politik, die Probleme in die Zukunft schiebt.

Die Bertelsmann-Stiftung ist eine nützliche Einrichtung. Sie soll ihrem Stifter beispielsweise durch Übertragung von Unternehmensanteilen einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag an Erbschafts- und Schenkungssteuern erspart haben. Ihre Expertise ist freilich nicht immer das Gelbe vom Ei. Anfang des Jahrtausends etwa hat sie zum Regierungsantritt von Gerhard Schröder (damals verbunden mit dem Verlangen nach Abschaffung der Arbeitslosenversicherung und einer allgemeinen Lohnkürzung um 15 Prozent) die Unfinanzierbarkeit der deutschen Pensionen bis 2010 vorausgesagt.

Aber sie ist sehr einflussreich. Man muss sie also sehr ernst nehmen. Auch wenn ihre Studien manchmal einen seltsamen Drall haben. So wie die über die Benachteiligung der jungen Generation, die ein bisschen den Eindruck erweckt, den Jungen würde es deshalb schlecht gehen, weil ihnen gierige Pensionisten das Weiße aus den Augen fressen.

Natürlich stimmt der erste Teil der Analyse: Junge haben es überall in Europa deutlich schwerer, einen Job zu finden, als ihre Vorgängergeneration, und noch schwerer, einen vernünftig bezahlten zu erhaschen. Davor sind auch Bestausgebildete nicht gefeit, wie die Generation Praktikum immer wieder schmerzhaft merkt.

Stabile Beschäftigungsverhältnisse sind eben leider ein Auslaufmodell. Übrigens nicht nur für Junge, sondern auch beispielsweise für jene über 50-Jährigen, die ein solches stabiles Beschäftigungsverhältnis verlieren – und dann die Zeit zur Pension mit einem Wechselbad aus Arbeitslosigkeit und mies bezahlten Kurzzeit-Praktika überbrücken müssen.

Aber manche Aussagen der Studie sind schon sagenhaft. Etwa die, dass in Europa „Pensionszahlungen nicht oder kaum gekürzt“ worden seien. Das sollen die Studienautoren vielleicht einmal mit einem griechischen Pensionisten besprechen, dessen Pension gerade wieder einmal vor einer Kürzung steht, obwohl er schon an die 50 Prozent verloren hat. Oder mit dem österreichischen Mittfünfziger, dessen ASVG-Pensionsaussichten im Laufe seines Berufslebens schon viele Male verschlechtert wurden. Und zwar deshalb, weil es die Politik nicht wirklich schaffte, den wahren Pensionskostentreiber, nämlich das viel zu niedrige Antrittsalter, in den Griff zu bekommen.

In einem haben die Bertelsmänner freilich recht: Die Gesellschaft driftet auseinander, auch einkommensmäßig. Die Bruchlinie verläuft freilich nicht zwischen Jung und Alt, wie man uns so gern weismachen möchte. Sondern (übrigens auch bei den Pensionen) zwischen dem geschützten und dem ungeschützten Bereich.

Und: Die Belastung der Jungen steigt tatsächlich in unverantwortlicher Weise. Aber nicht, weil der Durchschnittspensionist den Jungen die Butter vom Brot nimmt. Die Durchschnittspension im ASVG liegt übrigens in Österreich, einem der wohlhabendsten Länder Europas, bei 1133 Euro. Brutto. Netto macht das mit 1070 Euro (wenn man auch noch diverse Befreiungen einrechnet) ein bisschen mehr als die Mindestsicherung aus.


Was die Aussichten der Jungen wirklich stark verschlechtert, ist eine europaweit verfehlte Wirtschaftspolitik. Eine, die Entindustrialisierung begünstigt und damit dafür sorgt, dass die stabilen, gut bezahlten Jobs von früher aus dem Land verschwinden. Eine, die unangenehme, aber notwendige Reformen mithilfe immer größerer Staatsverschuldung in die Zukunft schiebt. Und die Rechnung für Probleme von heute damit an die Steuerzahler von morgen weiterreicht. Das gilt übrigens auch für den Bereich der Pensionen, bei dem Reformen im geschützten Bereich immer noch blockiert und verzögert werden.

Was wir brauchen, ist kein künstlicher Konflikt Jung gegen Alt, sondern eine Politik, die nicht in unverantwortlicher Weise die Zukunft belastet. Das könnte die Bertelsmann-Stiftung einmal den von ihr beratenen Politikern (die für das Schlamassel ja führend mitverantwortlich sind) verklickern. Wäre verdienstvoller, als zur Ablenkung künstliche Konflikte zu schüren.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2016)

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