Weltberühmtes Österreich

THEMENBILD: BP-WAHL /  BUNDESPRAeSIDENT
THEMENBILD: BP-WAHL / BUNDESPRAeSIDENTAPA/BARBARA GINDL
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Wieder schaut die Welt wegen eines Bundespräsidenten auf Österreich. Wieder mobilisiert dies Gegner und Anhänger. Wieder sind wir wer.

Das Gedankenexperiment sei kurz erlaubt: Würde heute eine gewisse Irmgard Griss, unabhängige Richterin, gegen Norbert Hofer, den Dritten Nationalratspräsidenten und begeisterten Freiheitlichen, antreten, der Sieg wäre ihr gewiss. Das bürgerliche Lager würde ihr wohl folgen, die Linke müsste es, um Hofer zu verhindern. Es waren ÖVP, auch SPÖ und Teile der Neos, die sich nicht dazu durchringen konnten, die populäre Richterin als Kandidatin offiziell zu unterstützen. Nein, SPÖ und ÖVP schickten ihre alten Pferde ins Rennen. Beide scheiterten kolossal. Heute, Sonntag, sitzen SPÖ und ÖVP auf der Zuschauerbank. Aber „Hätte, hätte, Fahrradkette“, wie es unsere deutschen Freunde formulieren, bringt nie viel. Es kam anders, und Fehler haben SPÖ und ÖVP noch nie erkannt. Sonst würden daraus Konsequenzen gezogen und weitere Fehler vermieden werden, oder?

Griss, die die drittgrößte Wählergruppe hinter sich vereinen konnte, empfiehlt die Wahl Alexander Van der Bellens. (Es wäre übrigens klug von Griss, sich nicht vor den Rot-Grünen-Neos-Ampel-Karren spannen zu lassen, das wäre ihr Abschied vom Bürgerlichen. Oder umgekehrt.) Dies ist auch gleichzeitig die wichtigste Empfehlung für ihre Wähler an diesem Sonntag: Wer glaubt, dass ehemalige ÖVP-Chefs, Minister und B-Prominente mittels Wahlempfehlung einem Kandidaten zum Sieg verhelfen können, hat die Welt 2016 nicht verstanden.

Im Gegenteil: Es sind diese teils eitlen, teils naiven Posen, die genau das Gegenteil bewirken. Viele werden genervt Van der Bellen nicht wählen. Ausgerechnet jener Oppositionspolitiker, der lange Zeit nicht einmal mit seiner eigenen Partei auf Linie sein wollte, wurde zum Großvater des bestehenden politischen Systems umgedeutet. Das muss man erst mit sich geschehen lassen. Aber: Unterstützer kann man sich nicht aussuchen.

Die wahren Kriterien. Wenn heute Hunderte Journalisten aus Wien berichten und für ihre Story zynisch auf einen Wahlsieg Hofers hoffen, dann hilft das ebenfalls nicht dem ruhigeren Van der Bellen. Denn die Erfahrung aus Waldheim-Jahren, Sanktionen-Dummheit und Umgang mit Kritik von außen zeigt: Die Österreicher leben zwar von Export und Tourismus, aber wenn es um Politik geht, wird es sehr inländisch. Daher kann man nach diesen Kriterien wählen: Soll der Präsident mehr in die Regierungsgeschäfte eingreifen? Soll er Regierungen abberufen, wenn er gerade glaubt, sie leisten nichts? Soll er sich ins Tagesgeschäft einmischen? Soll er die Regierung strenger kontrollieren? (Hofer müsste dann bei einem Kanzler Strache selbstverständlich zurücktreten.) Die Fragen führen zu einer klaren Entscheidung für jeden Einzelnen.

Und falls ein wenig Außenpolitik erlaubt sei: Beide Kandidaten haben bescheidene Expertise gezeigt. Die stolz genannten Kontakte zum russischen Botschafter hat jeder bessere Außenpolitikjournalist in Wien. Van der Bellen wird ein enges sozialdemokratisch geknüpftes Netz anzapfen, Hofer hat seine Kontakte zur Lega Nord, zum Front National und Vlaams Belang. Das muss einen nicht hysterisch empören, aber wundern darf man sich nicht, wenn die Karossen vor der Hofburg vorfahren. Kein Hättiwari dann bitte.

chefredaktion@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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