Das Preis-Leistungs-Verhältnis des Staates stimmt nicht mehr

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Macht der Staat das Richtige mit dem Geld, das er von den Bürgern erhält? Finanzminister Schelling bezweifelt das. Und er ist wohl nicht der Einzige.

Finanzminister Schelling hat seit seinem Amtsantritt ein Credo, das er immer wieder äußert, auch am Montag bei seiner Rede, die er selbstbewusst „Pakt für Österreich“ genannt hat. „Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, sagte er also neuerlich. Zweieinhalb Jahre nach seiner Angelobung muss er sich aber schön langsam doch auch die Frage gefallen lassen: „Warum tun Sie nichts gegen dieses Problem?“ Denn auch unter Schelling gibt der Staat immer mehr Geld aus. Knapp 175 Milliarden Euro sind es mittlerweile, und ein Ende dieses leidigen Trends ist nicht in Sicht.

Und weil wir gerade bei einfachen Rechnungen sind: Je mehr Geld der Staat ausgibt, umso mehr muss er seinen Bürgern abknöpfen. Ist der Staat unfähig zu sparen, muss es früher oder später der Unternehmer, der Angestellte oder die Pensionistin für ihn tun. Wie dramatisch das enden kann, zeigt gerade Griechenland vor. Dort sind öffentliche Krankenhäuser mittlerweile auf Hilfslieferungen – unter anderem auch aus Österreich – angewiesen, weil es an Spritzen, Operationshandschuhen und Windeln fehlt.

Das große Problem an zu hohen Steuern ist, dass sie die persönliche Leistung schmälern. Wenn der Unterschied zwischen brutto und netto zu groß ist, rentiert es sich nicht mehr, sich anzustrengen. Dann ist es nicht nur angenehmer, sondern leider auch ökonomischer aus Sicht des Betroffenen, sich vom Staat versorgen zu lassen. Fordern also Politiker 1500 Euro Mindestlohn, sollten sie auch dazusagen, dass das unterm Strich knapp unter 1200 Euro netto sind.

Nun weiß auch Finanzminister Schelling, dass die Bezieher niedriger Einkommen kein Problem mit der Lohnsteuer haben, sondern vor allem mit der Sozialversicherung. Bei 1500 Euro brutto fallen etwas über 40 Euro Lohnsteuer an, allerdings 260 Euro Sozialversicherungsbeiträge. Diese will Schelling nun für kleinere Einkommen halbieren. Er will also erreichen, dass sich Leistung früher auszahlt. Das ist ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit – ohne Zweifel. Vor allem aber wälzt Schelling das Thema nicht an die Unternehmer ab. Das Thema Unternehmerbelastung hat er mit der Registrierkasse ohnehin zur Genüge ausgereizt. Jetzt sollen also die Sozialversicherungen weniger einnehmen.

Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden, schließlich ist auch bei der Sozialversicherung einiges an Einsparpotenzial vorhanden. Der Rechnungshof kritisiert schon seit Jahren die Pensionsprivilegien für Bedienstete der Sozialversicherungen. 1,4 Milliarden Euro Sparpotenzial ortete er schon vor vier Jahren. Es wurde – wie so oft – nicht gehoben.

Wenn also Schelling so wie der Rechnungshof auch der Meinung ist, dass die Sozialversicherung mit weniger Beiträgen die gleiche Leistung erbringen kann, spricht nichts gegen eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Nicht wünschenswert ist hingegen, die Sozialversicherung noch stärker aus dem Steuertopf zu finanzieren. Auch wenn es ein wenig akademisch klingen mag: Es ist nicht egal, ob jemand Steuern zahlt oder Versicherungsbeiträge. Wer in ein Versicherungssystem einzahlt, erwirbt damit einen Anspruch auf eine Leistung. Da wird einem also nichts – vom Staat – geschenkt. Wir sollten tunlichst vermeiden, dass der Bürger zusehends gegenüber dem Staat zum Bittsteller degradiert wird.


Wenn Schelling also zu Recht das Preis-Leistungs-Verhältnis des Staates hinterfragt, hat er sich auch längst über das Preis-Leistungs-Verhältnis seines eigenen Ministeriums Gedanken gemacht. Vielleicht kennt er die Geschichte des österreichischen Unternehmers, der eine Niederlassung in der Schweiz eröffnete? Er hatte kurz darauf Besuch von einem Schweizer Finanzbeamten. Dessen erste Frage: „Sie haben ein Unternehmen gegründet, wie kann ich Ihnen helfen?“ Kein Wunder, dass es dem Unternehmer die Sprache verschlug, war er doch eher gewohnt, als potenzieller Steuerhinterzieher zu gelten.

Kern, Mitterlehner, Schelling. Es wurden nun genügend Reden gehalten. Jetzt bitte in die Tat umsetzen. Und keine Reden mehr, schon gar keine Ausreden.

E-Mails an:gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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