Der Konjunkturaufschwung als politisches Kasperltheater

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Themenbild: Arbeitsmarktservice(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Wirtschaft springt an, nicht wegen, sondern trotz der politischen Rahmenbedingungen. Allgemeines Schulterklopfen in der Regierung scheint verfrüht.

Als wäre es nicht schlimm genug, keinen Job zu haben. Für manchen Arbeitslosen begann der Montagmorgen noch unangenehmer, als er ohnehin schon war. Da polterte um acht Uhr früh der Bundeskanzler samt Kamerateams und Entourage in die AMS-Filiale in Wien Margareten und erklärte der Welt, wie super die Regierungsarbeit ist. Einem arbeitslosen 60-Jährigen attestierte er ganz beiläufig: „Sie schauen eh noch gut aus.“ Wird schon was mit einem Job, Kopf hoch.

Es ist beeindruckend, mit welcher Zielstrebigkeit Politiker genau das Gegenteil von dem tun, was in bestimmten Situationen angebracht ist. Da lässt der Arbeitsmarkt nach vielen Monaten wieder aufhorchen, weist um 1,8 Prozent weniger Arbeitslose aus, zeigt, dass die Konjunktur endlich ein wenig Fahrt aufnimmt – und unsere Politiker haben nichts Besseres zu tun, als sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Tatsächlich beginnen die Initiativen für den Arbeitsmarkt wie der Beschäftigungsbonus frühestens ab Mitte des Jahres zu greifen. Jetzt schwimmt die Wirtschaft auf einer kleinen Erfolgswelle, die vor allem den niedrigen Zinsen geschuldet ist. Ja, die Entwicklung gibt Grund zur Hoffnung. Dass AMS-Chef Johannes Kopf bereits das Wort „Trendwende“ in den Mund nimmt, ist möglicherweise doch etwas verfrüht. Dennoch: Nach fünf langen und für viele Menschen frustrierenden Jahren zeigen die wichtigsten Konjunkturdaten wieder nach oben. Darüber dürfen sich auch Politiker freuen, sie müssen deshalb aber nicht gleich ein Kasperltheater aufführen und Menschen im Arbeitsamt zu ihren Komparsen degradieren.

Apropos Kasperltheater: Während die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgeht, findet eine Gruppe immer schwerer einen Job. Es sind die über 50-Jährigen. Ihnen soll bekanntlich mit der Aktion 20.000 geholfen werden. Was Sozialminister Alois Stöger dieser Tage allerdings propagiert, ist mehr als grenzwertig, der Begriff Kasperltheater greift da schon etwas zu kurz. Ältere Arbeitslose in Altstoffsammelzentren unterzubringen klingt fast schon beleidigend. Auf jeden Fall sollen in den Gemeinden neue Jobs geschaffen werden, die bisher offensichtlich nicht nötig waren. Und auch Staatssekretärin Muna Duzdar hat bereits zugesichert, dass im öffentlichen Dienst mindestens 1000 Stellen neu zu besetzen sind. Mit anderen Worten: Wir blähen den Staatsapparat wie in den guten alten Kreisky-Zeiten auf, um unsere Arbeitslosenstatistik zu schönen. Das ist Zahlenkosmetik, aber keine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik.


Die Initiative erinnert ein wenig an die gute alte Post, die ihre unkündbaren überschüssigen Beamten einst in sogenannten Kompetenzzentren geparkt hat. Dort haben sie dann den ganzen Tag Daumen gedreht und die Tage bis zu ihrer Pensionierung gezählt. Erniedrigender geht es wohl nicht mehr, kein Wunder, dass die Betroffenen das Kompetenzzentrum zynisch „KZ“ abgekürzt haben.

Es geht nicht darum, Arbeitslose irgendwohin zu setzen, in Kompetenz- oder Altstoffsammelzentren, es geht darum, Eigeninitiative zu belohnen und Barrieren zu beseitigen. Einer der größten Jobvernichter gerade bei älteren Menschen ist nämlich ausgerechnet unser Sozialsystem. Der spezielle Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer führt eher dazu, dass Unternehmer sich scheuen, diese einzustellen. Oft kommt es vor, dass Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus einen schlechter bezahlten Job annehmen, am Ende dafür sogar noch bestraft werden, weil sie womöglich weniger Nettogehalt als Arbeitslosengeld erhalten. Einer, der mit 55 Jahren seinen gut dotierten Job verliert, ist im heutigen System also gut beraten, eine schlechter bezahlte Arbeit unter keinen Umständen anzunehmen.

Um dies zu ändern, braucht es nicht nur eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Wir brauchen auch eine Trendwende in der Sozialpolitik. Denn das alte Rezept der Versorgung auf Staatskosten hat vor dreißig Jahren schon nicht funktioniert – und es wird auch nicht helfen, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern.

E-Mails an:obfuscationcom" target="_blank" rel="">gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2017)

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