Leitartikel

Bitte beendet dieses Theater – und lasst uns wählen!

Sebstian Kurz.
Sebstian Kurz. (c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Wie wäre es mit einem Deal statt Intrigen: Die ÖVP einigt sich offiziell auf Sebastian Kurz als Nummer eins, die SPÖ stimmt vorgezogenen Wahlen zu.

Burgschauspieler verwenden gern das schöne Fremdwort „outrieren“, wenn einer der Kollegen und Kolleginnen in der Rolle übertreibt oder zu dick aufträgt, wie es wiederum die Deutschen im Ensemble formulieren. Wie sich das anhört und wie das wirken kann, konnte man am Dienstag im Ministerrat bewundern, als sich SPÖ-Regierungsmitglied nach SPÖ-Regierungsmitglied im längst begonnenen Wahlkampf mit scharfer Kritik am und großer Empörung über den künftigen ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz zu Wort meldete.

Da stellten sich sogar rhetorische Schwergewichte wie Jörg Leichtfried den Medien und geißelten Kurz mit wohlstudierten Formulierungen. Sie vermuten den Minister nämlich als heimlichen Stichwort- und Auftraggeber von Innenminister Wolfgang Sobotka, der sich als schwarzer Terrier täglich verbal in SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern verbeißt. Tatsächlich scheint der Innenminister seine Jobbeschreibung nicht ganz genau zu kennen, oder er glaubt, ÖVP-Generalsekretär Werner Amon vertreten zu müssen, der rund um die Uhr mit dem Ausmalen und Schnitzen von Propagandamaterial beschäftigt ist. Zurufe von Kurz braucht Sobotka keine dafür. Der Mann ist einfach so.

Das alles ist nicht neu, aber half der SPÖ-Truppe unter ihrem taktisch gewieften Chef zu einer kleinen, schönen Racheaktion, die den Umfragenkaiser Kurz beschädigen könnte. Nachdem sich Noch-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner einmal mehr über den eigenen Innenminister ärgerte und seinem gerechtfertigten Grant in Vieraugengesprächen freien Lauf ließ, wurde das Gerücht – auch via SMS – verbreitet, Mitterlehner trete zurück, Kurz müsse demnach sofort ran. (Das will der aber offenbar noch nicht, er hält den Zeitpunkt demnach für verfrüht.)

Journalisten lieben solche Gerüchte, zumal solche mit wahrem Kern, besser als ein Flügelkampf in der Wiener SPÖ und bei den Grünen ist nur die ÖVP-Obmanndebatte, die normalerweise während des Forum Alpbachs über die Bühne geht. Breit wurde über einen möglichen Wechsel an der ÖVP-Spitze berichtet. Neu ist übrigens, dass SPÖ-Politiker Kurz indirekt angreifen, weil dieser seinen eigenen Parteichef beerben will. Diese Schützenhilfe beziehungsweise Mitleid hat sich Reinhold Mitterlehner nicht verdient.

Aber Intrigen, Finten und Gerüchte einmal beiseite: Die Nichteinigung beider Regierungsparteien bei der Abschaffung oder Milderung der kalten Progression ist ein echter Skandal. Wegen Machtspielchen und Parteiinteressen wird da eine Steuerrückgabe an die Bürger einfach wieder verschoben, obwohl alle Experten und wohl auch Parteien im Kern der Sache einer Meinung sind. Diese Blockade zeigt mehr als deutlich, dass die Regierung nicht arbeitsfähig ist – nicht nur der ÖVP-Kurz-Flügel torpediert, sondern doch auch der eine oder andere SPÖ-Minister unter dem Eindruck von Gewerkschaft und bevorstehenden Wahlen, wie auch Kern mit einem leisen Ja beantworten müsste.

Daher wäre es höchst an der Zeit, das unwürdige Schauspiel mit einfachem Datum zu beenden: Dann könnten wir eine Entscheidung für einen der beiden Spitzenkandidaten fällen, die beide keine Legitimation als Nummer eins vom Wähler bekommen haben. Und die dann eine Mehrheit mit anderen Parteien suchen und aus der gemeinsamen Ehehölle ausbrechen könnten. Dafür müsste Kern nur den Mut haben, den er zu Beginn seiner Amtszeit signalisierte.

Die ÖVP muss ihr internes Theater ebenfalls beenden: Kurz und Mitterlehner müssen sich einigen, der Außenminister sollte den Sprung nach vorn machen und endlich die Verantwortung übernehmen. Wenn er, wie kolportiert wird, sagt, dass er die Partei in diesem Zustand nicht übernehmen kann, ist dies verständlich. Diese Partei ist zum Teil eine intellektuelle Laientruppe, Generalsekretär, Klubobmann und ihre Freunde sind die geborenen Totengräber der einst modernen bürgerlichen Partei. Bleiben diese Funktionärslemuren im Amt, sollte sich Kurz lieber um ein Ticket bei den Neos bemühen. Er muss die Partei übernehmen und von Grund auf neu aufstellen. Sollten ihn daran Bünde-Dinosaurier und Landesverweser hindern, steht der ÖVP ein Schicksal bevor, das sie aus Wien und Kärnten kennt: Sie wird zu einer innenpolitischen Marginalie.

Unter Kurz hat die ÖVP ihre letzte Chance. Kern scheint das zu begreifen, Reste der ÖVP noch immer nicht.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2017)

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