Das Ende der Großen Koalition, das Ende der alten Republik

Nach einer Neuwahl wollen ÖVP und SPÖ nicht mehr zusammenarbeiten.
Nach einer Neuwahl wollen ÖVP und SPÖ nicht mehr zusammenarbeiten.APA/ERWIN SCHERIAU
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Selten zuvor standen einander SPÖ und ÖVP so unversöhnlich gegenüber. Die FPÖ wird zur aussichtsreichsten Partei für eine Regierungsbeteiligung.

Ausgerechnet Reinhold Mitterlehner, seit seinem Rücktritt Lieblingsonkel der SPÖ, hat also den Weg für eine Vorverlegung der Nationratswahl freigegeben. Das war zwar nie sein Plan, aber manchmal ändert eine individuelle emotionale Aktion die Politik einer Republik.

Es war immer klar, dass Sebastian Kurz sein Nachfolger wird. Es war immer klar, dass Kurz sofort die Wahl will. Es war immer klar, dass Reinhold Mitterlehner irgendwann die Nerven wegschmeißen wird. Daran haben viele hart gearbeitet.

Nun ist es so weit. Alles deutet darauf hin, dass wir – so wie es früher der Brauch war – nach vier Jahren zwischen fünf Parteien, altbekannten Spitzenkandidaten und zwei Politikern wählen können, die sich als Chefs der beiden größten Parteien erstmals der Wahl stellen. Klingt nach einer ziemlichen Notwendigkeit, diese Wahl. Es wirkt derzeit auch nicht gerade so, als würde da eine einvernehmliche Scheidung zwischen SPÖ und ÖVP bevorstehen. Der Rosenkrieg genannt Wahlkampf hat bereits mit ersten kleineren Schlammschlachten begonnen.

Wäre Christian Kern das Kunststück gelungen, eine Minderheitsregierung zu etablieren, die sich auf eine Chaosampelmehrheit gestützt hätte, hätte dies Unterhaltung und demokratiepolitisch auch keinen Untergang gebracht. Für Kern hätte sich nur die Frage gestellt, ob ein schneller Wahlkampf gegen Sebastian Kurz nicht vernünftiger investierte Zeit ist – als Gespräche mit jenen Vertretern des Teams Stronach, die nicht einmal Reinhold Lopatka haben will, und mit Mandatarinnen, die sogar der FPÖ zu jenseitig waren. Auch ein neues jung-dynamisches Ministerinnenkabinett Kerns mit Grün- und Neos-Expertinnen hätte diese unschöne Kooperation nicht vergessen machen können.

Was aber viel wichtiger als die Wahl des Tanzschritts in Richtung Wahlen ist, sind die tiefen Verwerfungen und Verletzungen der vergangenen Tage: Sowohl in SPÖ-Reihen als auch unter den Funktionären der ÖVP gibt es ein dominantes Gefühl gegenüber dem langjährigen Regierungspartner, das sich nur mit einem Wort beschreiben lässt: Hass. Die gegenseitige Abneigung ist nicht neu, sondern historisch nach dem Wiederaufbau Österreichs gewachsen. In beiden Parteien schließen so gut wie alle Spitzenpolitiker eine Zusammenarbeit nach der Wahl glaubhaft aus, auch Kern und Kurz. Zwar fanden beide Parteien immer wieder aus Staatsräson zusammen bzw., um eine FPÖ-Beteiligung zu verhindern, aber diesmal ticken die Uhren anders. Es gibt kaum mehr Unterstützer eines solchen Modells, nicht einmal mehr unter den Sozialpartnern.

Damit wird nach der Wahl eine oder werden mehrere Oppositionsparteien in die Regierung einziehen, SPÖ oder ÖVP in die Opposition wechseln. Die SPÖ kam mit dieser Rolle gegen Schwarz-Blau nur schwer zurecht, die ÖVP sitzt seit 1986 in der Regierung. Ohne Macht und Minister würde es auch mit einem jugendlichen Parteichef ein unsanftes Erwachen geben.

Kern hofft auf eine Ampelkoalition, auch für Grüne und Neos würde – so sie es in den Nationalrat schaffen – ein Traum wahr werden. Nur: Sehr wahrscheinlich ist die Variante nicht. Der SPÖ-Chef könnte beide Parteien Stimmen kosten. Mancher Neos-Wähler wird wieder wie früher bei der ÖVP ein Kreuz machen, wenn dann der Name Kurz größer als die Partei angeführt wird. Bleibt also die FPÖ, die noch vor Kurzem keiner als Partner wollte, als Möglichkeit. Oder noch deutlicher formuliert: Ausgerechnet die FPÖ hat von allen Parteien die besten Chancen, der nächsten Regierung anzugehören. Die ÖVP hat das schon einmal ausprobiert und aus machtpolitischer Sicht gute Erfahrungen gemacht. Die SPÖ probiert die Koalition gerade im Burgenland und kommt – wie man auf allen Ebenen hört – immer mehr auf den Geschmack.

Das sollten beide Parteien und ihre Chefs offen zugeben. Und langsam, aber sicher sollten wir die inhaltlichen Positionen der künftigen Regierungspartei hinterfragen: Wo steht die FPÖ? Ist der EU-Austritt vom Tisch? Wo ist eigentlich das angekündigte Wirtschaftsprogramm?

Die alte Republik ist mit dieser Woche Geschichte. Wir betreten völliges politisches Neuland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)

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