Leitartikel

Das Niveau der Trump-Kritik hebt sich meist nicht von ihrem Objekt ab

Donald Trump
Donald TrumpAPA/AFP/POOL/ELIOT BLONDET
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Maßloser Empörungswille führt dazu, in der Auseinandersetzung mit Trump Nebensächliches aufzublasen. Dabei gibt es genug Anlass für berechtigte Klage.

Für Donald Trump kam die erste Auslandstournee wie gerufen. Sie bot ihm eine Gelegenheit, ein paar Tage lang von seinen innenpolitischen Zores abzulenken. Um nur ja keine lästigen Fragen zu seiner Russland-Connection und zur Absetzung von FBI-Chef James Comey aufkommen zu lassen, verzichtete der US-Präsident in Riad, Jerusalem, Bethlehem, Rom, Brüssel und zunächst auch beim G7-Gipfel in Taormina auf Pressekonferenzen. Seine außenpolitischen Berater hatten gewiss auch nichts gegen diesen rhetorischen Sicherheitsgurt einzuwenden: An Fährnissen mangelt es nicht auf der Welt, da muss der US-Präsident nicht unbedingt eine zusätzliche Krise mit unbedachten Äußerungen vom Zaun brechen, wenn es sich leicht vermeiden lässt.

Für Journalisten war Trumps neu entdeckte Öffentlichkeitsscheu natürlich enttäuschend. Sie konnten nicht kritisch nachbohren – mussten vor allem ohne die improvisierten Skandalsager auskommen, für die der Provokateur jederzeit gut ist, sobald er den Mund aufmacht, ohne Fertigteilsätze vom Teleprompter abzulesen.

Das minderte die mediale Empörungsbereitschaft jedoch keineswegs. Aufregungskünstler verlegten sich während Trumps Reise darauf, Nebensächlichkeiten aufzublasen. So erörterten einige Spezialisten tagelang, was es bedeuten könnte, dass Melania Trump auf diversen Gangways nicht die Hand ihres Mannes ergriff. Auch ein plumper Eintrag ins Gästebuch der Gedenkstätte Yad Vashem musste herhalten, um wenigstens ein bisschen Staub aufzuwirbeln. So richtig hoch ging es allerdings erst nach Trumps Besuch bei EU und Nato her. Zwar käute der US-Präsident auch vor den europäischen Verbündeten hinlänglich bekannte Standpunkte wieder, doch endlich kamen Bilder, die das Klischee vom narzisstischen Untam bestätigten: Trump schob doch glatt Montenegros Präsidenten zur Seite, um beim Nato-Gruppenfoto in der ersten Reihe zu stehen. Das störte Duško Marković zwar überhaupt nicht, wie er danach zu Protokoll gab. Doch die Aufnahme lief trotzdem in Endlosschleifen auf internationalen Fernsehsendern. Sie passte eben ins Bild.

Das Niveau der Trump-Kritik hebt sich zumeist nicht sonderlich von ihrem Objekt ab. Diesen Eindruck erzeugte auch eine Spiegel-Online-Schlagzeile, wonach Trump die Deutschen bei einem vertraulichen Treffen mit EU-Spitzen als „sehr, sehr böse“ bezeichnet habe. Am nächsten Morgen rückte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus, um seinen Gast zu verteidigen. Das Wörtchen „bad“ sei schon gefallen – es jedoch mit „schlecht“ zu übersetzen. Und sein damit ausgedrücktes Missfallen über deutsche Exportüberschüsse habe Trump keineswegs aggressiv vom Stapel gelassen.


In Wirklichkeit wiederholte der US-Präsident auch in diesem Fall eine (unsinnige) Position, die er schon öfter zum Vortrag gebracht hatte. Ihm sind offenbar zu viele Mercedes in Manhattan ins Auge gestochen. Dabei übertreibt Trump maßlos, spricht von „Millionen deutschen Autos“, die in den USA verkauft werden, und übersieht dabei, dass es im Vorjahr gerade einmal 1,3 Millionen waren (Marktanteil: sieben Prozent) und 850.000 in den Vereinigten Staaten zusammengebaut wurden.

Neuigkeitswert also: null. Ebenso wie seine Mahnung vor den wie Schulbuben versammelten Nato-Regierungschefs, sie mögen die Verteidigungsausgaben, wie vereinbart, auf zwei Prozent des BIPs hochschrauben. Man kennt das alles bereits, hyperventiliert aber trotzdem. Trump wird sich über die Sauerstoffverschwendung nicht beklagen: Das hilft ihm, sich vor seinen letzten treuen Mohikanern zu Hause als furchtloser America-First-Patriot darzustellen, der die Konfrontation im meist falsch verstandenen Interesse der USA nicht scheut.

An der Heimatfront wird es ohnehin unangenehm nach seiner Rückkehr. Wenn der geschasste FBI-Chef Comey öffentlich bestätigt, dass Trump ihn dazu gedrängt hat, die Ermittlungen über die Russland-Kontakte von Ex-Sicherheitsberater Flynn abzuwürgen, könnten seine Tage als US-Präsident nach den Kongresswahlen gezählt sein. Denn das wäre klarer Amtsmissbrauch. Für berechtigte Aufregung ist ausreichend gesorgt – unberechtigte mithin umso entbehrlicher.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2017)

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