Es wird nicht an der SPÖ sein, Bedingungen zu stellen

Die Öffnung der Sozialdemokraten zur FPÖ war überfällig. Nicht nur taktisch, auch demokratiepolitisch. Wobei man an der Taktik wieder zweifeln kann.

Derzeit, sagt SPÖ-Chef Christian Kern, sei eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen. Es sei denn, die FPÖ komme den nun formulierten Bedingungen der SPÖ nach, dann sei es möglich. Es sind sieben an der Zahl – vom steuerfreien 1500-Euro-Mindestlohn über einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr bis zur Einführung einer Erbschaftssteuer.

Die wahrscheinliche Pointe ist allerdings – nach dem 15. Oktober: Es wird nicht die SPÖ sein, die dann die Bedingungen stellen wird. Sondern die FPÖ. Denn Heinz-Christian Strache kann – selbst wenn er nur Dritter werden sollte – aus zwei potenziellen Partnern wählen. Man wird ihm entgegenkommen müssen. Denn dass es Straches Lebenstraum ist, Vizekanzler zu werden und er dafür alles opfert, ist eher auszuschließen.

Der FPÖ steckt die Regierungsbeteiligung unter Wolfgang Schüssel noch in den Knochen. So leichtfertig wird man nicht noch einmal in eine Koalition gehen. Denn absehbar ist: Man kann dort eigentlich nur verlieren. Was gerade in nordischen Ländern wie Finnland wieder einmal bewiesen wird: Der Chef der rechtspopulistischen „Finnen“ (vormals „Wahre Finnen“) und Außenminister in der Regierung wurde soeben vom rechten Flügel der Partei gestürzt, nachdem diese massiv an Zuspruch in den Umfragen eingebüßt hatte.

Also eh so wie bei uns. Bei Rot-Blau „putschte“ Jörg Haider gegen Norbert Steger. Bei Schwarz-Blau führte er zunächst die Revolte von Knittelfeld an, um dann in einer besonderen Volte eine eigene Partei gegen die Aufständischen von Knittelfeld zu gründen. Heinz-Christian Strache blieb mit der alten Partei und der Erfahrung zurück, dass die FPÖ in der Regierung nichts gewinnen kann.

Und wenn er es doch wagen sollte, kann er den Preis hochtreiben. Denn man braucht ihn. Kurz kann ohne ihn keine Regierung bilden, Kern auch nicht. Die „progressive Mehrheit“ aus SPÖ, Grünen und Neos, von der er träumt, ist eine Illusion. Und mit der ÖVP scheint es nun wirklich nicht mehr zu gehen. Wenn Christian Kern Bundeskanzler bleiben will, ist er auf die FPÖ angewiesen.

So gesehen war die Öffnung zur FPÖ richtig. Nicht nur taktisch – auch demokratiepolitisch. Wenn man die Wiederkehr des Ewiggleichen vermeiden möchte. Den Paria-Status der FPÖ auf Dauer aufrechtzuerhalten ist Unsinn. Die FPÖ sitzt seit Jahrzehnten im Parlament. Sie war zweimal in einer Bundesregierung und sitzt in zwei Landesregierungen. Und sie hat sich – bei aller mitunter über das Ziel hinausschießenden Rhetorik ihrer Vertreter – bisher stets an die demokratischen Spielregeln und Usancen gehalten.

Und da etwa die Genossen in Wien noch eine Weile brauchen, das zu erkennen, hat Christian Kern nun eben einmal einen Minimalkompromiss für seine Partei vorlegt: Eine Koalition nur unter unseren Bedingungen. Mit einer Urabstimmung unter allen Mitgliedern, wenn es so weit sein sollte.

Das allerdings macht den taktischen Wettbewerbsvorteil (eigentlich nur das Ausgleichen eines Nachteils) mit der Öffnung zu Rot-Blau wieder zunichte. Denn wenn sich der Wähler – und erst der Herr Bundespräsident! – vorstellt, dass nach der Wahl lange Koalitionsverhandlungen stattfinden, an deren Ende dann eine Urabstimmung aller SPÖ-Mitglieder steht, die womöglich auch noch negativ ausgeht, womit man mit den Koalitionsverhandlungen wieder von vorn beginnen könnte, dann könnte dieser Wähler geneigt sein, doch etwas anderes zu wählen, um dieses drohende Chaos zu vermeiden. Sebastian Kurz wird es in Bezug auf die FPÖ wohl wesentlich billiger – und auch unkomplizierter – geben.

Dennoch war es notwendig, dass die SPÖ diesen überfälligen Schritt nun getan hat. Es ist wie so oft mit dieser Partei: Sie hält so lang an ideologischen Positionen fest, bis diese mit der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Und die Realität heißt hier schlicht: Die SPÖ, die seit 1970 – bis auf sechs Jahre – den Regierungschef stellt, könnte den Kanzler verlieren.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2017)

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