Nicht nur das Parlament bedarf der Sanierung, auch die Republik

(c) Clemens Fabry
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14 Wochen sind für alle Beteiligten bis zur Wahl zu überstehen, die die Republik - wofür vieles spricht - verändern wird. Die Positionen sind eingenommen.

Die letzten Stunden vor der Generalsanierung des Parlaments bergen eine so nicht vorgesehen gewesene Dramatik. Einmal sind es ab heute, Montag, auch die letzten Stunden für den Eurofighter-Untersuchungsausschuss, den die Opposition der Regierung abgetrotzt hat. Am Mittwoch wird es mit dem Auftritt des früheren Wirtschaftsministers und heutigen Privatiers Reinhold Mitterlehner noch einen letzten Höhepunkt geben. Einen Tag später löst sich am Donnerstag der Nationalrat selbst auf und gibt den Weg frei für die auf Betreiben von Sebastian Kurz um ein ganzes Jahr vorgezogene Wahl.

Die letzten Stunden haben damit auch für die aktuelle Bundesregierung geschlagen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für jene Koalitionsform, die die Zweite Republik mit aufgebaut, dominiert und letztlich an den Rand der Lähmung geführt hat, die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP also. Instinktiv spüren viele auch in der Politik Tätige, dass diese Regierungskonstellation an einem Endpunkt angelangt ist. Ein Aufbruch, den sich die Neos für dieses Land bei ihrer am Sonntag zu Ende gegangenen Versammlung erträumten, wird auch von nicht wenigen anderen erhofft, ohne genau zu wissen, wohin und mit wem der Weg führen soll. Klar erscheint: Es muss etwas Neues sein.

Zuerst die SPÖ, zuletzt auch die ÖVP versuchen nach dem beispiellosen Desaster der Bundespräsidentenwahl zu retten, was zu retten ist. Die SPÖ, die ein Dauerabonnement auf den Bundeskanzler zu haben scheint, hat ja mit Christian Kern einen Quereinsteiger von null auf 100 katapultiert und ihn inhaltlich gewähren lassen. Dessen Plan A ist zwar mittlerweile bei den Wählern in Vergessenheit geraten. Nicht aber bei wichtigen Parteifunktionären, die schon bedeutungsvoll darauf hinweisen, dass Kerns Plan A – oh mein Gott! – ohne Partei gänzlich an dieser vorbei entstanden ist. So wird schon eine Erklärung für eine Niederlage gesucht, den nicht unmöglichen Verlust von Platz eins.

Christian Kerns politisches Schicksal liegt besonders in den Händen Wiens, nämlich in jenen Bürgermeister Michael Häupls und dessen grüner Koalitionspartnerin, Maria Vassilakou. Häupl muss es besser heute als morgen gelingen, die wegen aufgebrauchten Vorrats an Gemeinsamkeiten, die über den Machterhalt hinausgehen, zerstrittene Partei irgendwie zusammenzuhalten. Vassilakou wiederum spielt deshalb eine entscheidende Rolle, weil es an ihrer Gruppierung liegen wird, ob und wie viele Stimmen jener sie der SPÖ wegnimmt, die auf jeden Fall eines verhindern wollen: dass die FPÖ an einer Regierung beteiligt wird. Das erwartbare Antreten des grünen Dinos Peter Pilz mit einer eigenen Liste wird die Position Maria Vassilakous und der SPÖ nicht gerade erleichtern.

Kommen wir nun zu Sebastian Kurz, jenem Chef, der seine eigene Partei nicht wie Kern eher links liegen gelassen, sondern völlig neu aufgestellt hat – zu einer Art Sebastian-Kurz-Anbetungsverein. Vielleicht ist es ja so, dass die Zukunft von Parteien genau da liegt: weniger im Verteidigen von und Kämpfen für Ideologien als im Agieren als flexibles, wendiges, rasches, eher loses Gebilde mit einem ungefähren Werterahmen, das pragmatisch Antworten auf politische Probleme gibt. Apropos Antworten: Die werden von Kurz wie von Heinz-Christian Strache im Wahlkampf schon auch noch in anderen Bereichen als Mittelmeerroute/Migration einzufordern sein, so wichtig diese Themen auch sind. Das Setzen auf Protest oder Befeuern einer Wechselstimmung wird nicht reichen, um – was SPÖ, ÖVP und FPÖ für sich beanspruchen – stimmenstärkste Fraktion im neuen Nationalrat zu werden.

Wir stehen also in den letzten Tagen, in den letzten Stunden vor dem Beginn der Generalsanierung des Parlaments. Mehr als 2400 Sitzungen haben im Plenarsaal des Nationalrats stattgefunden, nach dem Umbau wird er, so viel steht fest, nicht mehr wiederzuerkennen sein. Eine Analogie zur politischen Situation drängt sich durchaus auf: Gleichzeitig schreit nämlich die Republik danach, generalsaniert und umgebaut zu werden. Gut möglich, dass sie schon am Abend des 15. Oktober nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2017)

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