Leitartikel

Bitte keine Berater!

Christian Kern
Christian KernAPA/GEORG HOCHMUTH
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Christian Kern kann einem leid tun. Nach dem weiteren Rückschlag werden sowohl er als auch seine Gegner leider noch aggressiver und populistischer.

Es gibt eine alte Regel: Man kennt Berater, hört aber nicht auf Berater. Parteiwahlkampfspezialisten haben neben einer erfolgreichen Kampagne daher einen zentralen Auftrag: unsichtbar bleiben. Wer einmal wie einst Viktor Klima in den Geruch kommt, Handpuppe von Spindoktoren (damals ein gewisser Jo Kalina) zu werden, wirkt künstlich und verliert. Noch gefährlicher ist das Engagement Externer, die für Strategie und Schmutzkübelwahlkampf engagiert werden. Man fragt sich, was Parteien mit den üppigen Förderungen eigentlich treiben? Offenbar keine politischen Fachleute ausbilden.

Interessanterweise halten es Auftraggeber von Tal Silberstein, der in Israel der Beihilfe zur Steuerhinterziehung beschuldigt wird und deswegen gerade in Haft war, anders. Egal, ob Wiener Sozialdemokraten, Wiener Neos oder wie zuletzt stolze Mitglieder des Teams Kern, fast alle erzählen mit leuchtenden Augen von Silbersteins Zauberkünsten, von seiner unglaublichen Fähigkeit, aus Daten die zentralen Themen für eine bestimmte Klientel filtern zu können. Nun distanzieren sich alle von ihm, Kern sprach zum Jahresbeginn noch von Unsinn im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Silberstein. Nun war er eben ein politischer Fehler und ohnehin nur eine Nebenfigur im Wahlkampf. Natürlich, Herr Bundeskanzler, ganz sicher. Außerdem: Bei aller Hochachtung vor dem Intellekt Alfred Gusenbauers ist dessen Verwicklung in die dubiosen Geschäfte um Bodenschätze von Silberstein-Intimus Beny Steinmetz in Rumänien sehr, sehr fragwürdig. Nur zur Einordnung: Vom FBI abwärts ermitteln Behörden mehrerer Länder gegen die Partie. Auch Gusenbauer dürfte kein idealer Kanzlerberater sein.

Besonders unterhaltsam in diesem Wahlkampf sind die Mimimi-Szenen. Abwechselnd werfen einander der rote Bundesgeschäftsführer und die schwarze Generalsekretärin Dirty Campaigning vor, um im nächsten Atemzug genau das selbst fortzusetzen, egal, ob es sich dabei um sexistische Formulierungen gegen ÖVP-Kandidatinnen oder Diffamierungen gegen den Sohn Kerns wegen Tragens luxuriöser Uhren handelt. Einigen wir uns einfach darauf, dass beide tief im Schlamm robben. Sollte das so weitergehen könnte ein gewisser Heinz-Christian Strache als sauberer Dritter auftreten.

Neben dieser Mischung aus Hysterie, Aggression und Glaskinn sollte uns etwas sehr nervös machen. Sowohl SPÖ als auch ÖVP versprechen gerade allen das Blaue vom Himmel und halten es mit Steuergeld ein. Pflegeregress abschaffen? Kein Problem. Kleine Pensionen kräftig erhöhen? Geht schon. Nun verabschieden sich Kurz und die ÖVP auch noch vor der statistisch notwendigen Forderung, das Frauenpensionsalter anzuheben. Was kommt als Nächstes? Das ÖVP-Versprechen, alle Pensionen seien auf Ewigkeit sicher? Kern verspricht en passant, die Fluglinie Niki vor dem Konkurs zu retten, den schon Angela Merkel in Deutschland bei der Mutter Air Berlin verhindert. Warum nicht gleich eine Staatsgarantie, dass kein Arbeitsplatz verloren gehen darf? Die paar Milliarden wird sich Kern wohl holen dürfen.

Das kennt man aus den letzten Tagen vor dem Wahlsonntag, wir haben noch 56 Tage.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2017)

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