Eine Schicksalswahl für das ungleiche Trio Kern, Kurz, Strache

Symbolbild: Wahlplakat der Grünen
Symbolbild: Wahlplakat der Grünen(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Der 15. Oktober entscheidet die persönliche Zukunft der Spitzen jener drei Parteien, die seit der Nachkriegszeit das Parlament dominieren.

Was Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache voneinander trennt, erfahren wir Tag für Tag, Stunde für Stunde. In Interviews, auf Plakaten (interessant, dass sich die FPÖ, die laut SPÖ schon am Pakt mit Sebastian Kurz arbeitet, speziell auf diesen einschießt), durch Tweets, Facebook-Einträge, in Inseraten. Entwarnung für die nächsten fünf Wochen kann nicht gegeben werden.

Dabei gibt es auch etwas, was Kern, Kurz und Strache eint. Zum einen dominieren die Parteien, die sie leiten und deren Listen sie bei der Nationalratswahl anführen, seit Jahrzehnten – in unterschiedlichen Rollen, gewiss – ununterbrochen die Politik Österreichs im Bund und weitgehend in den Ländern. Zum andern aber eint die drei Männer, dass die Wähler am 15. Oktober nicht nur über das Schicksal der Parteien und die Regierungsform eine Entscheidung treffen. Der Tag wird auch die Zukunft der Player entscheiden.

Beginnen wir der guten Ordnung halber mit Bundeskanzler Christian Kern. Aus der staatsnahen Wirtschaft geholt, gibt er das einzigartige Beispiel eines Quereinsteigers ab, der aus dem Stand an die Spitze der Bundesregierung katapultiert wurde. Jetzt tritt er zum ersten Mal bei einer Wahl abseits eines Parteitags an. Scheitert er im für die SPÖ logischen Anspruch, aus Nationalratswahlen als Nummer eins hervorzugehen, ist es schwer vorstellbar, dass er sich länger an der Spitze halten wird. Kern als Vizekanzler ist genauso schwer vorstellbar wie als Oppositionschef, das werden ihm, wenn nötig, nicht zuletzt seine (Wiener) Parteigenossen klarmachen. Sein Scheitern wäre ein Beweis dafür, dass Politik eben auch als ein Handwerk verstanden werden muss, das Fertigkeiten erfordert, die nicht nur angelesen werden können.

Diesbezüglich sehen wir in Sebastian Kurz das Gegenteil von Kern. Er hat Politik – und nur die – von der Pike auf gelernt. Wer in jungen Jahren der ÖVP beitritt, noch dazu in Wien, wo es für die Partei nichts zu melden gibt, muss neben fast an Masochismus grenzender Leidensfähigkeit über ein besonderes Sendungsbewusstsein verfügen. Kurz hat sich seine Partei bis zu deren Selbsterniedrigung zurechtgestutzt. Schafft er es nicht, für die ÖVP den Kanzler zu holen, stehen er selbst und die ÖVP vor einem Scherbenhaufen. Das Experiment Kurz wäre gescheitert, mit unabsehbaren Auswirkungen auf die Partei, die auseinanderbrechen könnte.

Heinz-Christian Strache schließlich sollte es nun gelingen, die FPÖ wieder in eine Regierung zu führen. Opposition ist sicher nicht „Mist“, wie das Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl in Verwendung eines Worts des früheren SPD-Vizekanzlers Franz Müntefering gemeint hat. Aber natürlich werden Strache und die Partei dieser Rolle müde. Scheitert Strache, werden Rufe nach einem Neuen nicht mehr missachtet werden können.


Es stimmt schon, Spitzenkandidaten stehen nicht erst seit gestern immer stärker im Mittelpunkt des Interesses. Diesmal ist diese Konstellation noch einmal zugespitzt. Es wäre konsequent und schön, wenn die Entwicklung weg vom noch immer viel zu starren Listen- hin zu einem Persönlichkeitswahlrecht führte. Mit ideell ausgedörrten Parteien ist kein Staat zu machen, jedenfalls keine dringend erforderliche (nicht schrecken!) radikale Erneuerung des Staatsganzen. Das hat Gültigkeit – unabhängig davon, wo wir Kern, Kurz und Strache nach der Wahl begegnen werden.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2017)

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