Der Meinungskitsch hat Sendemonopol

Das österreichische Asylwesen weist hohen Korrekturbedarf auf. Der geht aber in der Empörung unter.

Maria Fekter bedient wie kaum ein Innenminister vor ihr Klischees, die notwendig sind, um das „gute“ Österreich, das sich selbst im Alleinbesitz von „Zivilcourage“ und „Humanität“ wähnt, mit dem nötigen Maß an Selbstbestätigung zu versorgen. Sie wirkt und agiert nicht selten unelegant und verbissen. Nicht zufällig existieren von kaum einem anderen Menschen in diesem Land so viele unvorteilhafte Bilder wie von ihr.

Beim Versuch, in Eberau ein Asylwerber-Erstaufnahmezentrum zu etablieren, hat sie die maximale Anzahl an Fehlerpunkten erreicht. Selbst als klar war, dass Eberau „gestorben“ war, ließ sie nicht locker und wartete mit dem neuesten Gerät aus ihrem PR-Atomwaffenarsenal auf: „Anwesenheitspflicht“ für Asylwerber zur Beruhigung der örtlichen Einwohnerschaft. Nicht zu verwechseln mit „Internierung“, „Inhaftierung“ oder gar „Kasernierung“.

Eigenwillige Idee. Vor allem: Wenn das für die Erstabklärung im Asylverfahren so wichtig ist, warum erst jetzt?

Trotzdem ringt die Innenministerin zumindest jener Minderheit im österreichischen Meinungsgeschäft, die ihre Selbstbestätigung nicht aus der Geborgenheit im pseudohumanistischen Mainstream bezieht, ein gewisses Maß an Respekt ab. Die Frau will etwas, und sie ist bereit, dafür eine Menge Prügel einzustecken. Die entscheidende Frage ist, was Maria Fekter wirklich will: Strache das Wasser abgraben? Der ÖVP mit billigem Populismus die rechte Flanke abdecken ohne Rücksicht auf Verluste in der katholischen Mitte? Oder doch einen unösterreichisch geradlinigen Weg der Kombination von harten Rahmenbedingungen und fairen Chancen gehen?


Die Frage ist gut, geht aber in der einhelligen Empörung unter, die durch die blitzartig verfügbaren maßgeschneiderten Erklärungen der üblichen unverdächtigen Verfassungsrechtler gestützt wird. Man kann diese als endgültige Wahrheiten verkündeten Meinungen in Analogie zur künstlerischen Definition von Kitsch („vorgewusste Sensibilität“) nur als „Meinungskitsch“ bezeichnen. Der passt denn auch bestens in die Rosamunde-Pilcher-Dramaturgie, der die einschlägigen ORF-Nachrichtensendungen folgen.

Natürlich ist die von Frau Fekter hartnäckig als „Anwesenheitspflicht“ verharmloste Einschränkung der persönlichen Freiheit von Asylwerbern in den Aufnahmezentren eine „Internierung“. Aber man wird doch bitte noch die ganz alltägliche juristische Frage stellen dürfen, ob es Rechtsgüter gibt, die eine solche zeitlich begrenzte Freiheitsbeschränkung nach sorgfältiger Abwägung rechtfertigen.

Nein, in Österreich darf man nicht. Das hat neben der Ahnungslosigkeit der Regierungsspitzen und dem Sendemonopol des Meinungskitschs auch mit der absurden Allianz zwischen dem xenophoben und dem pseudohumanistischen Boulevard zu tun: Die „Krone“ will die armen Bürger vor den kriminellen Asylanten schützen, „Österreich“ faselt von „Asylanten-Guantánamos“. Beide dreschen auf Fekter ein. Schon das spricht für die Innenministerin.


Dass es im Bereich des Asyl-, Fremden- und Zuwanderungsrechts immensen Korrekturbedarf gibt, ist längst bekannt. Ein Zuwanderungskonzept wie das viel zitierte kanadische existiert in Österreich nicht. Gefordert wird es bezeichnenderweise immer dann, wenn spektakuläre Asyl- und eben nicht Zuwanderungsfragen debattiert werden. Karl Korinek hat als Präsident des Verfassungsgerichtshofs für eine Totalreform im Wege einer Zusammenführung aller Materien unter einem legislativen Dach plädiert, weil die verstreuten Normen fast zwingend eine widersprüchliche Judikatur – und damit lange Verfahren – nach sich zögen. Sein Nachfolger Gerhart Holzinger hat sich ähnlich geäußert. Passiert ist – nichts.

All das kann und muss man auch der Innenministerin ankreiden. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass im regulären Verfahren befindliche Asylwerber ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen dürfen, sondern zum Nichtstun verurteilt sind, mit allen psychischen, vielleicht sogar kriminellen Folgen. 28 Tage Kasernierung können für Asylwerber kaum so demütigend sein, wie das, was sie in Österreich nachher erwartet.

Vielleicht lässt sich eine Internierung nicht schlüssig argumentieren. Vielleicht braucht man sie aber auch gar nicht, um das Problem der Erstabklärung im Verfahren zu lösen, und es handelt sich nur um ein aktuelles Ablenkungsmanöver. Dann müsste man sich eben Alternativen einfallen lassen. Da werden sich die Pseudohumanisten und Meinungskitschkünstler dann wieder eher ruhig verhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2010)

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