Kärnten sucht den Karawankenbären

Neue Chance, neues (Un-)Glück? Unser aller Problembundesland steht politisch vor einer neuen Stunde null.

Wenn zwei sich streiten, muss sich nicht zwangsläufig der Dritte freuen: Die Kärntner SPÖ, eine einst allmächtige Partei, der in den vergangenen Jahren so gut wie alles misslang, brachte es nun sogar noch zuwege, aus dem Zwist zwischen BZÖ und FPK keinerlei Kapital zu schlagen. Anstatt sich erste Reihe fußfrei die Verwerfungen im dritten Lager anzusehen, schaffte sie es selbst negativ in die Schlagzeilen. Keine Frage, SPÖ-Landesparteichef Reinhart Rohr hätte schon längst zurücktreten sollen, am besten gleich nach der Wahlniederlage 2009, die der SPÖ ein Minus von zehn Prozentpunkten bescherte. Doch wieso Rohr ausgerechnet jetzt zum Rücktritt gezwungen wurde, weiß wohl nur Villachs SPÖ-Bürgermeister Manzenreiter, die treibende Kraft dahinter.

Aber sei es, wie es sei: Die Kärntner SPÖ kann nun immerhin ihr Glück im Unglück suchen. Ihr bietet sich die Chance für einen echten Neubeginn. Und dieser wird ziemlich sicher nur dann gelingen, wenn sich die Genossen endlich trauen, Gerhard Seifried zum Parteichef zu machen – und sich auch dieser endlich traut, dieses Amt offensiv anzustreben. Der Wolfsberger SPÖ-Bürgermeister, ein ehemaliger Journalist, der als ORF-Kriegsreporter auf dem Balkan überregionale Bekanntheit erlangt hat, ragt aus dem Kärntner Regionalligabiotop heraus. Ein kluger Kopf, weltgewandt, strategisch begabt, ein pointierter Formulierer, der vor Jahren auch ein Buch über die ehemaligen Kärntner SPÖ-Größen Leopold Wagner, Erwin Frühbauer und Rudolf Gallob geschrieben hat.

Doch Seifried hat auch seine Schattenseiten. Die problematischste: Er ist möglicherweise in der SPÖ nicht mehrheitsfähig. Der „Karawankenbär“ hängt ihm noch immer nach. Nach der Landtagswahl 2004 hat er im Fernsehen geätzt, ein solcher hätte auch nicht schlechter abgeschnitten als SPÖ-Spitzenkandidat Peter Ambrozy. Schon die Jahre zuvor hatte sich Seifried als parteiinterner Kritiker hervorgetan und die Rolle des roten Dissidenten sichtlich genossen. Jörg Haider gegenüber hatte er wenig Berührungsängste, insgeheim bewunderte er ihn sogar. Nur, zum Volkstribunen fehlt Seifried das Talent – ein weiteres Manko in einem Land, in dem Politik vor allem für und am Biertisch gemacht wird.

Doch es muss ja nicht immer alles so bleiben, wie es die SPÖ-Landesfürsten seinerzeit eingeführt haben und Jörg Haider dann perfektioniert hat. Kärnten könnte politisch eine neue Stunde null schlagen. Denn auch das bisher dominierende dritte Lager bröckelt. Ob es auseinanderbricht, wird man vielleicht schon kommenden Samstag ermessen können, auf dem BZÖ-Parteitag, der als FPK-Parteitag enden wird: Wechseln die orangen Mandatare geschlossen zu den Blauen? Oder gelingt es Josef Bucher doch noch, das BZÖ als eigenständige Partei auch in Kärnten zu erhalten? Es spricht vieles dafür, dass Uwe Scheuch zwar formell einen Sieg davontragen wird, schließlich war er bei der Auswahl der stimmberechtigten Delegierten recht kreativ. Doch die Wunden, die geschlagen wurden, dürften die freiheitliche Bewegung in Kärnten auf Dauer schwächen. Und auch der „Volkszorn“ im Lande über die freiheitliche Parteiführung war seit „Knittelfeld“ nicht mehr so groß wie jetzt.

Die Kärntner SPÖ hat nun erstmals seit Langem wieder die realistische Möglichkeit – mit einem überzeugenden Neubeginn –, die Machtverhältnisse im Land umzudrehen. Jörg Haider als übermächtiger Gegner ist Geschichte. Mit Gerhard Dörfler respektive Uwe Scheuch könnte sich ein Gerhard Seifried locker messen, wobei gerade die Erinnerung an dessen freundschaftliches Verhältnis zum freiheitlichen Übervater bisherige BZÖ/FPK-Wähler dazu bewegen könnte, ins SPÖ-Lager überzulaufen beziehungsweise dorthin zurückzukehren.

Der „Wechsel“-Virus hat mittlerweile auch auf die ÖVP übergegriffen. Der durch die Hypo-Affäre beschädigte Parteichef Josef Martinz ist angezählt. Immer lauter wird in der Kärntner Volkspartei der – auch von diesem selbst geschürte – Ruf nach Wirtschaftskammerchef Franz Pacher.


Einen Neuanfang hätte das Skandalbundesland Kärnten bitter nötig. Eine Abkehr von Freunderlwirtschaft, Großmanns- und Verschwendungssucht. Und vor allem auch vom selbstverordneten Provinzialismus. Ein erster Schritt wurde bereits am vergangenen Samstag getan: Das Eishockey-Freiluftderby im Fußballstadion, bei dem Kärntens Politiker im Hintergrund bleiben mussten, war ein Event von internationalem Format. Das hätten auch die Kanadier nicht besser hinbekommen. Jetzt muss nur noch der richtige (Karawanken-)Bär gefunden werden.


oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.