Kurz könnte sich zumindest bedanken

Wenn Sebastian Kurz kurz strauchelt, fangen ihn SPÖ und FPÖ wieder auf und helfen ihm weiter.
Wenn Sebastian Kurz kurz strauchelt, fangen ihn SPÖ und FPÖ wieder auf und helfen ihm weiter. REUTERS
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Der Nationalratspräsident beweist die Notwendigkeit von Parlamentsferien. Die Chefs von SPÖ und FPÖ dilettieren: Rendi-Wagner und Hofer erwiesen sich als Wahlkampfhelfer für den Ex-Kanzler.

Wolfgang Sobotka, Nationalratspräsident und Mann fürs grob Türkise, hat diese Woche gezeigt, dass er in einem Kabinett Kurz II den perfekten Unterhaltungsminister geben könnte. In der Debatte um die neue Regelung der Parteispenden verlor er die Contenance. Als Jörg Leichtfried, heimlicher SPÖ-Klub-, Partei- und Klassenprimus, die ÖVP indirekt, aber doch direkt vom Rednerpult aus als „bestechlich“ bezeichnete, konnte die parlamentarische Welt ein kleines menschliches Wunder beobachten. Sobotkas Kopf nahm zuerst das leichte Mittelrot an, das auch Leichtfried gern im Gesicht trägt und das dann in ein sattes Dunkelrot wechselte. Sobotka synchronisierte dann Faust und Kopf bis ins kleinste Detail. Stimme, Körpersprache und Gestik hätten nun sogar Erwin Pröll verängstigt.

Diese Szene, die in den sozialen Medien viele erfreute, verdeutlicht drei Phänomene: Im Nationalrat wird nun offen und aggressiv Wahlkampf betrieben. Zweitens: ÖVP und SPÖ stehen einander unversöhnlich gegenüber, die SPÖ eint der Hass gegen Sebastian Kurz mehr als die Parteichefin. In der ÖVP wird keine andere Partei so verachtet wie die „Sozis“, wie selbst hochrangige Türkis-Politiker die Sozialdemokraten ohne vorgehaltene Hand nennen. Eine Koalition zwischen diesen Parteien nach der Nationalratswahl ist nur schwer vorstellbar. Drittens gibt die Szene aber den Blick auf den absurden Beschluss der dringend notwendigen Neuregelung der Parteispenden frei.

Selbstanzeige. Heinz-Christian Strache hat im sattsam bekannten Ibiza-Video-Ausschnitt um diskrete Millionenspenden an parteinahe Vereine im Gegenzug zu späteren Staatsaufträgen gebeten. SPÖ und FPÖ haben daraus eine klare Konsequenz gezogen: Solche Vereine bleiben weiterhin erlaubt. Beide Parteien brauchen sie offenbar. Das nennt man Selbstanzeige per Parlamentsbeschluss. Auch die volle Prüfung des Rechnungshofs der Finanzen lehnen beide Parteien ab.

Pamela Rendi-Wagner begründet das allen Ernstes mit der ÖVP-Nähe des Rechnungshofs. Was kommt als Nächstes? Steuerboykott wegen ÖVP-Nähe des Finanzministeriums? Norbert Hofer ist da zumindest kreativer. Im Ö1-„Mittagsjournal“ schwadronierte er in vager Interpretation der Montesquieu'schen Gewaltenteilung dreimal ums Eck. Also: Die Kontrolle der Parteifinanzen durch den Rechnungshof sei nicht vorgesehen, da dieser dem Nationalrat unterstehe und die Exekutive zu prüfen habe, aber eben nicht die Legislative. Legislative? Die Parteien und ihre Vereine sind also allesamt legislativ? War das nicht das Parlament?

Beiden Parteien, vor allem der SPÖ, gelang mit dem Beschluss jedenfalls das seltene Kunststück, der ÖVP deren echtes Spendenproblem abzunehmen. Ihr wurden die Großspenden nun zwar verboten, Thema und negative Schlagzeilen haben dank Ausblendung von Vereinen und Rechnungshof aber nun SPÖ und FPÖ übernommen. Das ist neu: Wenn Sebastian Kurz kurz strauchelt, fangen ihn SPÖ und FPÖ wieder auf und helfen ihm weiter. Er könnte sich dafür zumindest bedanken.

chefedaktion@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2019)

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