Die ÖBB, der täglich missbrauchte Betrieb

Bei den ÖBB kommt es wieder einmal zu politischen Postenbesetzungen – was für eine Überraschung.

Nikolaus Pelinka hat für einen 24-Jährigen eine steile Karriere hinter sich. Bisher war der Sohn des „News“-Chefredakteurs Peter Pelinka Sprecher von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Doch Anfang April wurde er in den Stiftungsrat des ORF berufen – auf einem SPÖ-Ticket klarerweise. Mit dem Job des Ministeriumssprechers ist die Tätigkeit im ORF-Stiftungsrat nicht vereinbar. Pelinka brauchte also einen neuen Posten. Dieser ergab sich nun bei den ÖBB, die wiederum „zufälligerweise“ dem Ministerium von Doris Bures (SPÖ) unterstehen.

Pelinka wird nicht ganz untalentiert sein. Dennoch darf man hinterfragen, ob sein Lebenslauf den Job – mit einer kolportierten Gage von 6000 Euro brutto im Monat – rechtfertigt. Die Vermutung liegt nahe, dass es vielmehr seine Kontakte zu SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas und in weiterer Folge zu Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sind, die ihn auf der Karriereleiter flott nach oben gebracht haben. Dass dafür die ÖBB missbraucht werden, sollte nicht überraschen. Das hat hierzulande Tradition.

In keiner anderen Firma lassen sich die Vorstände so schön den Regierungsparteien zuordnen wie bei den ÖBB. Bestes Beispiel dafür ist die – sinnvolle – Reduktion von fünf auf drei Vorstände bei der Infrastrukturtochter. Von den bisherigen fünf Vorständen gelten zwei als SPÖ-nah, einer als ÖVP-nah und zwei waren Überbleibsel aus der Zeit blau-oranger Infrastrukturminister. Man musste kein Hellseher sein, um schon im Vorfeld zu wissen, welche zwei ihre Mandate zurücklegen werden. (Für alle, die ihre Vermutung bestätigt haben wollen: Es waren die zwei blau-orangen.)

Auf die neue ÖBB-Führung wirft die ganze Affäre zumindest vordergründig kein gutes Licht. Vielleicht war es Neo-Bahnchef Christian Kern aber auch gar nicht unrecht, mit Pelinka einen direkten Draht in die SPÖ-Zentrale zu haben. Eine ähnliche Konstruktion hat er sich mit Philipp Ita, Ex-Kabinettschef von Ernst Strasser (ÖVP), ja zur anderen Regierungspartei geschaffen. Dies dürfte auch die Absenz schwarzer Kritik erklären. Ansonsten nutzte die ÖVP zuletzt jede Gelegenheit dazu, die ÖBB als politischen Reibebaum zu missbrauchen. Auch wenn viele ihrer Kritikpunkte gerechtfertigt sind, macht es einen Unterschied, ob Probleme ernsthaft angesprochen oder politisch skandalisiert werden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die ÖVP viele dieser „Skandale“ mitzuverantworten hat.

Echte Probleme gibt es bei der Bahn aber mehr als genug. So werden etwa Tunnel mit Kosten in Milliardenhöhe weniger nach verkehrswirtschaftlichen, sondern nach landespolitischen Erwägungen gebaut. Und im Personalbereich steht die Bahn einer wachsenden Zahl von pragmatisierten Mitarbeitern gegenüber, deren Jobs wegrationalisiert wurden und für die sie nun keine Verwendung mehr hat.

Von ihrer Bedeutung her sind die politischen Postenbesetzungen in der zweiten und dritten Reihe also nicht das Hauptproblem. Dennoch sind sie symptomatisch für den Umgang der Politik mit Staatsbetrieben. Und eines sollte jedem klar sein: Im Zweifelsfall handelt die Politik weder im Interesse der Allgemeinheit noch des betroffenen Unternehmens, sondern ausschließlich im Interesse der Partei.

Dieses Verhalten ist nicht auf die ÖBB beschränkt. So dürfte der Grund für das Sponsoring der größten Bühne auf dem dieswöchigen Donauinselfest durch die Wien Energie weniger das Musikinteresse der Manager sein. Vielmehr brauchte die Wiener SPÖ Geld für ihr Prestige-Fest. Und was liegt näher, als stadteigene Firmen dafür einzuspannen? Ähnliches gibt es natürlich auch in schwarz regierten Ländern. Und wie die Hypo Alpe Adria in Haider-Kärnten nach dem Vorbild einer Weihnachtsgans ausgenommen wurde, ist sowieso legendär.

Abhilfe von dieser Selbstbedienungsmentalität schafft nur der Entzug der Unternehmen aus dem politischen Zugriff. Das heißt – auch wenn es zurzeit als Unwort gilt – Privatisierung. Denn sobald ein Unternehmen an der Börse notiert, steht es unter internationaler Beobachtung. Dann werden politische Postenbesetzungen oder Eingriffe in das Geschäft sofort mit negativen Kursausschlägen quittiert. Und das hält meist auch Politiker vor solchen Aktionen zurück. Der Staat muss sich dabei gar nicht vollständig zurückziehen, wie das Positivbeispiel OMV zeigt. Solange Firmen aber zu 100 Prozent der (Partei-)Politik unterstehen wie die ÖBB, braucht man sich über Postenvergaben nach politischer Farbenlehre nicht wundern.


jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.