Über den rechten Umgang mit Herrn S.

Es gibt zwei gute Möglichkeiten, mit FPÖ-Provokationen produktiv umzugehen: Trockenheit und Übertreibung.

Wir wissen nicht, ob Michael Jeannée dem „Bündnis für Menschenrechte & Zivilcourage – gegen Diskriminierung & Extremismus“ angehört. Möglich wäre es wohl. Denn „Das Bündnis“ bekämpft, wie es auf seiner Website ausführt, „alle Formen von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie, Nationalismus, Ausgrenzung und Diskriminierung“. Anliegen, für die auch der „Krone“-Kolumnist in vielen seiner Texte beherzt ficht. Jedenfalls zitiert „Das Bündnis“ in einer Aussendung Jeannées Donnerstagkolumne, in der er die „Wiener Blut“-Plakate der Wiener FPÖ sehr korrekt, mit Hinweis auf die „braune Blut-und-Boden-Geschichte“, kritisiert hat.

Auch „Das Bündnis“ will nun „dieser verhetzenden Propaganda ein Stück Wirklichkeit entgegensetzen, was zweifellos eine sehr verdienstvolle und nette Sache ist. Seit gestern, Freitag, kann man auf der Website des Bündnisses (www.das-buendnis.at) online A2-Plakate bestellen, die in Kooperation mit der Initiative „Comics gegen rechts“ entstanden sind – was ihnen offensichtlich nicht besonders gutgetan hat. Denn der niederschmetternde Slogan lautet: „Wiener Blut – Vielfalt tut gut“.

Dabei waren die Vielfaltsfreunde schon auf der richtigen Spur. Man wisse zu Beginn nicht, heißt es in der Aussendung der Gruppe, ob man es mit echten Plakaten zu tun habe oder mit einer „Lächerlichmachung einer menschenverachtenden Politik“. Genau so muss man die FPÖ-Plakate tatsächlich lesen. Wie das geht, haben Peter Kern und das Stadtkino in ihrer Teaser-Kampagne für Kerns Film „Blutsfreundschaft“ gezeigt. Sie schalteten Anzeigen, denen man erst auf den zweiten Blick ansah (wenn man zum Beispiel den Schauspieler Helmut Berger erkannte), dass sie nicht der Sudelküche der FPÖ-Hirnprothese Herbert Kickl entstammen.


Das Bündnis“, das man dem Kreis der üblichen Unverdächtigen zurechnen kann, steigt mit seinem Slogan nicht nur auf die FPÖ-These von der Relevanz der Blutabmischung in besseren oder schlechteren Verhältnissen ein, sondern auch auf das Endreimspiel des blauen Dichters. Nur noch schlechter. Schade. Denn es hat sich in den vergangenen Jahren, nachdem sich die Moralindämpfe aus der Wendesauna verflüchtigt haben, langsam eine Erkenntnis breitgemacht: Die zwei besten Möglichkeiten, die Wort-Bild-Provokationen der Freiheitlichen öffentlich amtszubehandeln, sind trockene Hinterfragen und sarkastische Überspitzung. Mit den alten Empörungsformeln sind die gesellschaftlichen Rechenaufgaben, die der xenophobe Populismus aufgibt, nicht mehr zu lösen. Die Persiflage aber verlangt handwerkliche Fähigkeiten, deren Fehlen unvermeidlich in die Peinlichkeit führt.

Am Leben gehalten wird der Anti-FPÖ-Empörungskult immer schon von den Grünen, in jüngerer Zeit auch von den Sozialdemokraten. Die Generation Wehsely-Rudas wurde durch die Unterstützung der Donnerstagsdemos in der Wendezeit geprägt, und sie halten diese Art von Happening-Antifaschismus immer noch für eine zentrale Aufgabe zeitgenössischer Politik. Das ist nachvollziehbar, wenn man sich die politischen Biografien der Nachwuchshoffnungen wie der Parteispitze vor Augen hält: Antifaschismus als Politplacebo ist vermutlich eine wirksame Therapie gegen den intellektuellen Tinnitus, der in der unendlichen Leere des SPÖ-Ideenkosmos für Höllenqualen sorgen muss.


Die Motive dieser Generation verdienen jeden Respekt. Eine gewisse Inklination zur Heuchelei lässt sich aber schwer bestreiten, wenn man bedenkt, dass Strache seine Chancen vor allem der Nichtzuwanderungspolitik des Bundes und der Nichtintegrationspolitik der Wiener SPÖ zu verdanken hat. Nach dem Motto: Das bissl Xenophobie, das wir zum Bekämpfen brauchen, machen wir uns auch noch selber.

Die ÖVP geht in dieser Frage den dritten Weg: Sie schweigt zu fast allem, was die FPÖ zum Thema Zuwanderung und Integration veranstaltet. Aus unterschiedlichen Motiven: Die einen hoffen, dass Maria Fekters forsches Agieren als Lösung für die von Strache artikulierten Probleme gesehen wird, den anderen ist ein wenig peinlich, dass das irgendwie doch das Milieu ist, mit dem man ein paar Jährchen regiert hat. Gewiss, was den Spielwitz betrifft, verhalten sich Jörg Haider und HC Strache zueinander wie Lionel Messi und Roman Mählich, aber irgendwie war das doch eine Mannschaft.

Die gegenwärtigen Umfragen erwecken den Eindruck, als würde auch beim Publikum ein kühlerer Umgang mit der Wiener FPÖ-Schmiere einsetzen. Ist doch gut.


michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2010)

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