Michael Häupls gemütliche Schlacht

Die Wiener Parteien scheuen im anlaufenden Wahlkampf die Inhalte wie Dracula das Tageslicht. Vor allem Michael Häupl geht es nur um Umfragen, Plakate und alte Klischees.

Er liebte das Blut, schätzte das Nachtleben, fürchtete das grelle Sonnenlicht und kämpfte gegen die Türken: Vlad III., der breiten Öffentlichkeit besser bekannt als Graf Dracula, würde sich als Comicfigur für den Einsatz im Wiener Wahlkampf anbieten. Man weiß nur nicht so genau, ob ihn die FPÖ oder ihre Gegner in ihren Wahlkampf einbauen sollten.

Denn welcher Partei die Wiener-Blut-Plakate nützen oder schaden, steht noch nicht fest. (Der Stadt und der politischen Kultur helfen sie nicht weiter.) Dass sie FPÖ und SPÖ mehr helfen als den anderen, ist anzunehmen. Mangelnde Mobilisierung fürchten vor allem Michael Häupl und seine SPÖ: Anfang vergangener Woche veröffentlichte der „Standard“ eine Umfrage, in der die SPÖ auf 50 Prozent und bequem im Besitz der absoluten Mandatsmehrheit lag.

In einem Interview nannte Häupl diese Werte daraufhin einen Versuch seiner politischen Feinde, die Funktionäre der SPÖ in Sicherheit zu wiegen, damit sie nicht zur Wahl gingen. Fast logisch, dass tags darauf „Österreich“ eine Umfrage ohne störende Details wie Schwankungsbreite, Sample oder gar Namen des Meinungsforschungsinstituts abdruckte, in der die Absolute der Wiener SPÖ in weiter Ferne und die FPÖ deutlich über 20 Prozent liegen. Dass man in der Bundes-SP auch von Umfragen hört, in der die Landespartei über dem Wahlziel liegt, hat nichts zu sagen: Im Umfeld Werner Faymanns vermutet Häupl schon länger den einen oder anderen Feind, der sich schon auf den 11.Oktober, den Tag nach Wahl, freuen darf. Dann hat Häupl wieder viel Zeit für Unterhaltung(en).

Davor muss er sich um seine alten Klischees kümmern: Wenn er etwa „Hofratswitwen mit Perlenketten“ angreift, ist das nicht nur klassenkämpferische Hetze gegen eine imaginäre Gruppe, sondern zeigt das Fehlen jeder intellektuellen Kreativität, die Wien zu einer positiven Entwicklung brauchen würde. Und die man von Häupl früher zumindest verbal erwarten konnte.

Umfragen, Plakate, (fehlender) Stil sowie (grüne) Interna prägen den Wahlkampf. Schon lange vor der Schlussphase können wir die Hoffnung, es würde zumindest kurz über die Zukunft der Stadt gesprochen, aufgeben. Sinnvolle Privatisierungen von stadteigenen Unternehmen, die nichts mit der Grundversorgung der Stadt zu haben (von Gärtnereien bis zu Restaurants)? Sparkurs in den bestselbst-verwalteten Magistraten der Welt? Eine qualitative und nicht nur quantitative Kindergarten- und Schuloffensive mit klaren Pflichten zwecks Integration? Klare, sichtbare Maßnahmen zur Sicherheit in der Stadt? (Nein, Drogensüchtige von einem Platz zum nächsten zu treiben, ist keine solche Maßnahme.) Eine Stadtplanung, die die U-Bahn absichtlich nicht am neuen Zentralbahnhof vorbeiführt? Zu kompliziert.

Nur manchmal erkennt man eine Debatte hinter der Polemik: Das Rathaus wehrt sich dagegen, eine Pensionsreform bei ihren Beamten vorzuziehen. Das wäre ein Anschlag auf die Lebensqualität in der Stadt, sagt der Wiener SPÖ-General. Das ist interessant.

Für die SPÖ sind Beamte und Wien eins.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2010)

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