Die Zukunft Österreichs wird verspielt

Die Forschungspolitik ist ein perfektes Abbild des jämmerlichen Zustands der heimischen Politik.

Deutschland hat die Forschungsförderung für die nächsten drei Jahre um zwölf Milliarden Euro erhöht. Frankreich hat eine Forschungsanleihe im Volumen von 35 Milliarden Euro ausgegeben. Dänemark hat die Forschungsförderung glatt verdoppelt. Alles Versuche, um aus der Wirtschaftskrise gestärkt herauszukommen. Und was tut Österreich? Abgesehen von punktuellen Erhöhungen und Umschichtungen um ein paar Millionen, nichts. Die heimischen Forscher müssen sich schon glücklich schätzen, dass ihre Förderbudgets nicht stark gekürzt werden. Eine Steigerung ist nicht in Sicht. Aber nichts Genaues weiß man nicht: Das Finanzministerium will vor dem Abschluss der Budgetverhandlungen keine konkreten Zahlen nennen – und damit ist auch der Beschluss der neuen Forschungsstrategie unmöglich.

Es wäre nicht Österreich, käme nicht zu dieser sachlichen Ebene auch eine parteipolitische: SPÖ und ÖVP sind auch in der Forschungspolitik in den „Infight“ gegangen. Statt dass sich die verantwortlichen Ministerien gemeinsam für die Sache (und damit für ihre Klientel) starkmachten, bekriegt man sich. Und zwar zum Teil offen: Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) wollte nicht an der traditionellen Eröffnungspressekonferenz mit ihrer Regierungskollegin Doris Bures (SPÖ) teilnehmen. Aus etwas fadenscheinigen Gründen – und wohl auch deshalb, weil diese Pressekonferenz von der „roten“ Gesellschaft zur Förderung der Forschung (Präsident ist SPÖ-Urgestein Karl Blecha) ausgerichtet wird. Säbelrasseln über diesen Alpbach-Pflichttermin gab es auch in früheren Jahren häufig, doch im Endeffekt wollte man sich dann doch geschlossen um die Sache kämpfend zeigen.

Heuer sind die (parteipolitischen) Gräben zwischen den Ressorts offenbar selbst für dieses Symbol zu tief. Was ein perfektes Spiegelbild des Zustands der jetzigen Bundesregierung ist: Die „Koalitionsgegner“ bekämpfen sich, wo es nur geht. Und man gönnt einander keinen Erfolg.

Das führt auch auf persönlicher Ebene zu Verunsicherung – was die Sache noch schlimmer macht. Wissenschaftsministerin Karl wirkt jedenfalls sehr verunsichert. Ihre öffentlichen Auftritte sind um einiges weniger locker als noch bei ihrem Amtsantritt. Und auch in ihrer Stammklientel hat sie viele Sympathien verspielt. So mancher lang gediente Uni-Politiker sieht bereits die Situation, dass ihr die Gefolgschaft versagt werden könnte. Wenn dann im Herbst wieder protestierende Studenten auf der Straße stehen, dann könnte das für Karls politische Karriere letal sein.

Infrastrukturministerin Bures hat sich deutlich besser positioniert. Als alter „Hase“ im Politikgeschäft hat sie sich in Alpbach jegliche parteipolitischen Angriffe und Konter versagt und zog sich auf eine staatstragende Rolle zurück – um auf diese Weise an Stärke zu gewinnen. Punktesieg für Bures. Die Rolle der Parteispitzen ist reichlich unklar: Handeln die beiden Ministerinnen im Auftrag ihrer Chefs? Oder geht es „nur“ um Einfluss und um – vermeintliche – Macht? Diese Fragen werden jedenfalls von der vollzählig in Alpbach versammelten Forschungs-Community heftig diskutiert.


Was über diesem kleinlichen Hickhack verloren geht, ist das Interesse an der Sache. Und Baustellen gibt es in der Bildungs- und Forschungspolitik genug. An den Universitäten geht die Schere zwischen dem Andrang von Studierenden und der möglichen Betreuung immer weiter auf. Die Betreuung wird schlechter, die Ausbildung entspricht immer weniger den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes, der Unmut der Betroffenen kocht immer mehr über. In Forschungsinstitutionen auf der anderen Seite herrscht große Verunsicherung, wie es mit öffentlichen Forschungsmitteln weitergeht. Jegliche Kürzung würde fatale Folgen haben und die gute Entwicklung, die Österreich in den letzten Jahren genommen hat, beenden. Dann würden wieder scharenweise junge Forscher das Land verlassen – und ausländische Spitzenkräfte anzulocken, kann man sich dann abschminken.

Ohne klare Strategien, die allgemein akzeptiert werden, wird es keine Lösungen geben. Und wenn nicht einmal die zuständigen Fachminister gemeinsam auftreten, dann wird es wirklich schwierig, die Probleme zu meistern. Faktum ist: Die Forschungen von heute sind die Innovationen von morgen – und damit auch das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze der Zukunft. Wer das aus den Augen verliert, der verspielt die Zukunft Österreichs.


martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2010)

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