Leugnen ist keine Option: Das Klima geht uns alle an

Der Klimahype ist abgeebbt, die Sorge um die Zukunft der Erde bleibt aber. Es wird CO2-Einsparungen geben – unabhängig vom Ausgang globaler Verhandlungen.

Das heurige Jahr wird eines der drei wärmsten Jahre seit 1850 werden, sagen Wissenschaftler. Noch hängt es vom Verlauf des November und Dezember ab, welcher Platz es in den „Top 3“ wird. Für viele Menschen ist das ein weiterer „Beweis“, dass die Welt einer großen Katastrophe zusteuert. Allerdings ist diese Angst nach dem Abflauen des Klimahypes gesunken, wie viele Meinungsumfragen zeigen. Ob die Alarmisten oder die Beschwichtiger recht haben werden, weiß derzeit niemand. Ein paar warme Jahre machen jedenfalls noch keinen klimatischen Trend. Klima ist ein Durchschnitt des Wetters von zumindest 20 Jahren.

Allerdings hat die Wissenschaft in den letzten Jahren recht klar herausgearbeitet, welche Folgen eine Erwärmung hat. Man muss dabei, so fordern Experten, genau zwischen dem, was man wirklich weiß, und dem, was man nur vermutet, unterscheiden. Laut einer Einschätzung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) – die seit gestern unter www.zamg.ac.at/klimawandel im Netz ist – gibt es eine Reihe von Fakten, die wissenschaftlich gut belegt sind: Die derzeitige Warmzeit wächst gerade über das Niveau der letzten Warmzeit im Mittelalter hinaus; der Temperaturanstieg seit 1900 war in Österreich mit gut 1,5 Grad stärker als weltweit (0,8 Grad); die Niederschläge haben nordwestlich des Alpenbogens seit dem Jahr 1800 zugenommen, auf der anderen Seite der Berge hingegen abgenommen; und die Zahl der Tropentage nimmt zu, während Frosttage seltener werden. Als unsicher oder sogar falsch haben sich andere häufig angeführte „Fakten“ erwiesen: Große Stürme haben in den letzten Jahrzehnten nicht zugenommen, und auch die Extremwerte bei Starkniederschlägen sind nicht gestiegen.

Aussagen über die Zukunft sind naturgemäß unsicher. Und sie werden umso unsicherer, je kleiner die Gebiete sind, für die man Prognosen erstellt. In Europa dürfte die Temperatur bis 2050 um ein bis drei Grad zunehmen – das ist mehr als im globalen Durchschnitt. Hitzewellen werden häufiger und länger dauern, Kältewellen dagegen seltener sein. Das hat viele Konsequenzen. Etwa für der Österreicher liebste Freizeitbeschäftigung: Niederschlag wird öfter in Form von Regen und seltener als Schnee vom Himmel fallen. Was aber nicht bedeuten muss, dass es nicht auch in Zukunft einzelne schneereiche Winter gibt. Gletscher werden zwar weiter schrumpfen, doch die größeren werden zumindest in diesem Jahrhundert nicht verschwinden.

Klimaforscher räumen ein, dass die Rechenmodelle, auf denen solche Aussagen beruhen, nicht perfekt sind. Es gibt in der Tat noch genügend Lücken – etwa das Fließen der polaren Eismassen oder den Einfluss natürlicher Klimatreiber wie Sonnenaktivität oder Vulkanismus. Doch den menschlichen Anteil am Klimawandel zu leugnen ist keine Option mehr: Wenn die naturwissenschaftlichen Gesetze richtig sind – und davon muss man ausgehen –, dann kann die Erwärmung der letzten Jahrzehnte nur durch die Tatsache erklärt werden, dass man die CO2-Emissionen aus dem Verbrennen fossiler Energieträger berücksichtigt. Freilich fehlen in vielen Teilbereichen noch klare Antworten. Wissenschaft kann aber niemals letztgültiges Wissen bieten, sie ist ein Prozess.


Eines ist klar: Mit der Erwärmung kommen langfristig große Probleme auf unseren Planeten zu – etwa die Verschiebung von Klimazonen mit Folgen für die Ernährung, das Ansteigen des Meeresspiegels oder neue Migrationsströme. Und wenn nicht die ganze Welt an einem Strang zieht, wird es nicht gelingen, den globalen CO2-Ausstoß zu begrenzen. China, die USA und Indien zusammen sind für mehr als die Hälfte der Emissionen verantwortlich. Was die EU macht, ist dagegen vergleichsweise irrelevant. Das Engagement Europas ist aber dennoch wichtig: Ohne ein Zugpferd wird sich die Welt nicht von selbst in einen zukunftsfähigeren Zustand bewegen. Abgesehen davon liegt Klimapolitik im ureigensten Interesse: Wer mit Energie effizienter umgeht, hat einen Kostenvorteil. Und wer unabhängiger von Energieimporten wird, lebt sicherer. Diese Faktoren werden den Klimaschutz vorantreiben – unabhängig davon, ob die globalen Verhandlungen scheitern oder nicht.

E-Mails an: martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)

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