Wo man sich einen Abgeordneten mieten kann wie einen Fiaker

Kann man sich in Österreich einen Abgeordneten mieten wie einen Fiaker? Offenbar schon, wenn man aus der Affäre Strasser nicht grundlegende Konsequenzen zieht.

Wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte Josef Pröll mehr auf seine Gesundheit geachtet. Die deutlichen Worte, mit denen der VP-Chef am Sonntag den Rücktritt des Europaabgeordneten Ernst Strasser erzwang, waren zweifellos auch als öffentlicher Kraftakt gedacht; als ein Signal dafür, dass Pröll trotz Lungenembolie und verordneter Bettruhe die Dinge im Griff hat. Dass er vor allem seine Partei – wieder – im Griff hat.

Denn wie die Bestechungsaffäre in den vergangenen Tagen über die Lichtenfelsgasse gespielt wurde, ist an Peinlichkeit und Schamlosigkeit kaum zu überbieten. In der VP-Parteizentrale sorgte man sich nicht um die mögliche Bestechlichkeit eines hochrangigen Parteimitglieds, das pikanterweise noch dazu einmal Innenminister dieser Republik und damit höchster Ordnungshüter war. Vielmehr versuchte man, das Thema zu einem „Zickenkrieg“ zwischen Strasser und seinem Rivalen, Othmar Karas, zu machen. Die gerechtfertigte Empörung Karas' über das Agieren seines Parteifreundes wurde als ein Vernaderungsversuch „gespint“ – gerade so, als wäre es dessen Schuld, dass Strasser zwei verdeckten Reportern der „Sunday Times“ gegen die Zahlung von 100.000 Euro – formulieren wir es klagsfrei – seine Dienste anbot. Die scharfen Worte Prölls sind daher auch als eine Ohrfeige für die Parteizentrale zu verstehen.

Die Affäre um die mögliche Bestechung – es gilt, wie so oft in letzter Zeit in der österreichischen Innenpolitik, die Unschuldsvermutung – geht freilich weit über Ernst Strasser hinaus. Sie zeigt generell, wie anfällig Politiker für jemanden mit einem Koffer voll Geld sind. Der frühere britische Verkehrsminister Stephen Byers meinte vor einigen Jahren bei einem ähnlichen Bestechungsversuch der „Times“, man könne ihn „mieten wie ein Taxi“. Dann lobbyiere er für oder gegen etwas, organisiere Treffen – was immer man von ihm verlange.

In Österreich kann man Politiker ebenso leicht wie einen Fiaker mieten. Beispielsweise kann ein SP-Abgeordneter über einen Lobbyisten 3000 Euro pro Monat von einem Unternehmen kassieren. Eine Firma kann einer VP-nahen Gewerkschaftsorganisation 30.000 Euro „Marketingzuschuss“ überweisen; die Industriellenvereinigung kann einem damals amtierenden Finanzminister eine Homepage finanzieren; und wir wollen erst gar nicht anfangen mit den vielen großen und kleinen Gefälligkeiten, die Abgeordnete erhalten. Dass all das ohne Gegenleistung bleibt, glaubt maximal die Staatsanwaltschaft.

Wenn Politiker schon nicht genug Anstand besitzen, ihre Aufgabe nach bestem Gewissen im Interesse ihrer Wähler zu erfüllen (und es sagt schon viel, dass die Formulierung eines solchen Satzes allein schon als naiv gilt), dann muss man eben Gesetze erlassen, die ihnen alle ethischen Entscheidungen abnehmen. Dann werden Politiker künftig bei Antritt und Ende ihrer Tätigkeit eben alle Vermögenswerte offenlegen müssen, um zu beweisen, dass sie sich im Laufe ihrer Tätigkeit nicht bereichert haben; dann wird es Transparenz geben müssen, von wem Abgeordnete Geld kassieren und wie viel; und dann wird man auch solche Selbstverständlichkeiten wie ein Verbot von Lobbyistentätigkeit festschreiben müssen.


Es geht hier nicht um ein Berufsverbot für Abgeordnete, um ein Parlament, das nur noch aus Berufspolitikern besteht. Ein Arzt soll weiter Arzt sein dürfen, und auch ein ÖGB-Funktionär soll weiterhin im Parlament sitzen können. Er vertritt ja nicht eine Firma, sondern die Interessen von Menschen – die in dem Fall eben Gewerkschaftsmitglieder sind. Jeder hat das Recht, für seine Anliegen zu werben. Zum Problem wird es dann, wenn es im Dunkeln passiert, die Transparenz fehlt und die Bevölkerung den Eindruck bekommt, man könne sich Gesetze kaufen.

Dass es Interesse an strengeren Regeln gibt, darf man bezweifeln, wenn man sich die Verhandlungen über die Parteienfinanzierung ansieht. Die geforderte Transparenz bei Spenden umgeht man mit Ausnahmen für Landesorganisationen, damit offenbar der Strom anonymer Zuwendungen nicht versiegt.

Die Politik könnte viele, gute Lehren aus dem Fall Strasser ziehen – wenn sie nur wollte.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2011)

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