Die wahre Arroganz sitzt auf der Regierungsbank

(c) AP (Seth Wenig)
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Wer sich Geld zu horrenden Zinsen vom Staat leiht, hat aus Sicht der SPÖ-Führung nur noch eines zu tun: den Mund zu halten und nur ja nicht die Politik zu kritisieren.

Leitartikel

Für Banker Verständnis zu haben ist dieser Tage in etwa so, als würde man osteuropäische Schlepper für ihre Verdienste in Sachen Familienzusammenführung loben: Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) sitzt in New York hinter Gittern, weil er verdächtigt wird, den Aufgabenbereich von Stubenmädchen grundlegend missverstanden zu haben. Fast zur selben Zeit sorgt in Österreich ein führender Banker für einen Skandal, weil er behauptet, dass heimische Politiker „blöd“ und „feig“ seien. Wie man es auch dreht und wendet: Die einst angesehene Finanzbranche steckt in einer Imagekrise, die beängstigende Ausmaße angenommen hat.

Ebenso beängstigend ist freilich auch der Verdacht, dass der verhaftete IWF-Chef Strauss-Kahn hierzulande mehr Sympathien genießt als der über Politiker schimpfende Erste-Chef Treichl. Für Ersteren gilt nämlich noch die Unschuldsvermutung, während Zweiterer einer Kaste angehört, die längst verurteilt ist: Banker sind schurkenartige Raffzähne, die sich ihren Job mit Staatsgeld haben retten lassen, um ein Jahr nach der Krise wieder kräftig in den Geldtopf zu langen.

So sieht das jedenfalls das Gros der Bevölkerung und folglich auch die SPÖ, deren politische Arbeit sich nach dem Abgang Alfred Gusenbauers darin erschöpft, den Leuten nach dem Mund zu reden. Bestimmt gut angekommen ist beim Volk auch die Replik von SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer auf die Äußerungen Treichls: „Es macht ein schlechtes Bild, wenn man sich darüber beklagt, dass man die Politik und die Menschen um Hilfe bittet, und dann, wenn man die Hilfe bekommen hat, Raffgier und Abgehobenheit an den Tag legt. Damals ist den Bankmanagern Angst ins Gesicht geschrieben gewesen, jetzt weicht das wieder der Arroganz.“

Das mit dem schlechten Bild kann man schon so sehen. Aber man korrigiert es nicht, indem man ein noch schlechteres mitliefert. Was uns Josef Ostermayer sagen will, ist ja nicht besonders schwer zu verstehen: Jemand, der sich für die Erste Bank 1,2 Milliarden Euro vom Staat leiht, beißt nicht in die Hand, die ihn in den Stunden großen Hungers gut gefüttert hat. Dieser Jemand hält gefälligst den Mund und fällt nicht über die Politik her. Herr Ostermayer dürfte da freilich einiges durcheinandergebracht haben: Erstens wurde den Banken das Geld nicht geschenkt, sondern zu Wucherzinsen vorgestreckt. Zweitens werden die Kredite wenigstens von zwei Banken zurückgezahlt (Erste und RZB). Und drittens kommt das Staatsgeld nicht aus den Taschen der Politiker, sondern aus jenen der Steuerzahler. Nicht sie hat Treichl beschimpft, sondern die Politiker. Und das – von der Wortwahl abgesehen – völlig zu Recht.

Es ist nämlich nicht zu übersehen, dass der Politik bei der Regulierung der Banken haarsträubende Fehler unterlaufen sind. Das beginnt schon mit der verdammt schlechten Idee, die Bankensteuer als „Substanzbesteuerung“ zu konzipieren. Nicht die Vermögenswerte gehören belastet, sondern die Erträge. Ziemlich unklug ist es auch, die Einnahmen im Budget verschwinden zu lassen. Das entlarvt den wahren Charakter der Abgabe: Ziel der Aktion ist nicht die Regulierung, sondern die Finanzierung jener Staatsausgaben, die schon vor der Finanzkrise absurde Höhen erreicht haben.


Gekrönt wird der ganze Zauber damit, dass ein Drittel der Bankenabgabe gleich an die Länder und Gemeinden weitergereicht wird, womit der österreichische Föderalismus wieder einmal seine perverse Seite offenbart. In Deutschland, das ebenfalls eine Strafsteuer für seine Banken eingeführt hat, werden die Einnahmen nicht von Bund, Ländern und Gemeinden verjubelt, sondern einem Bankenrettungsfonds zugeführt, der bei der nächsten Krise angezapft wird. Genau so macht man das.

Zu all dem passt, dass noch kein Parlamentarier etwas daran gefunden hat, dass staatliche Regulierer griechische Staatsanleihen für sicherer halten als Kredite an tolle österreichische Firmen, die Verluste nur vom Hörensagen kennen. Die Nationalräte haben sich mit diesem eigenartigen „Lenkungseffekt“ noch nicht einmal befasst. Ob das mit der mangelnden Fähigkeit zu tun hat, ökonomische Zusammenhänge zu verstehen, oder nur mit fehlendem Mut, ist letzten Endes nur eines: irrelevant. Seite 1

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2011)

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