Urschitz meint: Keine Angst vor einem Grexit-Crash

Börsen und Devisenmärkte begrüßen Tsipras erstaunlich gelassen.

In Griechenland gewinnt Eurozonenschreck Alexis Tsipras die Wahl – und sowohl der Euro als auch der deutsche Leitindex DAX machen sofort einen Freudensprung: Was ist denn da los?

Immerhin wird Griechenland in nächster Zeit von einer Koalition aus Links- und Rechtspopulisten regiert. Geht man davon aus, dass links und rechts einander neutralisieren, dann bleibt immer noch zwei Mal Populismus übrig.

Keine gute Ausgangsposition, aber offenbar sind auch die Märkte der Meinung, dass es schlimmer als mit den bisher etablierten Parteien gar nicht mehr kommen kann. Tatsächlich sind die größten Probleme Griechenlands nicht mehr so sehr Reformen im Sozialbereich (die sind längst und ziemlich radikal durchgezogen), sondern die immer noch alle Lebensbereiche durchdringende Korruption und die mangelnde Durchsetzung der Steuergesetze. Da hineinzufahren traut man den Neuen offenbar eher zu. Und dass es ohne einen (von Tsipras geforderten) Schuldenschnitt nicht geht, ist ohnehin allen klar. Ebenso freilich auch, dass bis dahin noch ein paar Hausaufgaben (etwa die effiziente Durchsetzung der Steuergesetze) zu machen sind.

Wenn beide Seiten wollen, ist das Problem also (abseits des ideologischen Geplänkels) nicht unlösbar. So gewaltig ist es ja nicht: Die griechischen Staatsschulden machen nur etwa 3,6 Prozent der kumulierten Euro-Staatsschulden aus und entsprechen lediglich dem Eineinhalbfachen des Eurozonen-Defizits.

Diese aus Eurozonen-Sicht geringe „Krisenmasse“ ist eher ein Problem für die Griechen selbst. Die gestrige Botschaft der Märkte lautet: Wir fürchten uns nicht mehr vor dem „Grexit“, das ist jetzt primär euer Problem.

Tatsächlich geht es nur noch darum, ob Griechenland die Reformlücken schließt. Dann muss Europa ungefähr die Hälfte der griechischen Staatsschulden bei einem Schuldenschnitt abschreiben. Das ist nicht schön, aber verkraftbar. Oder ob sich Athen für die eigene Pleite entscheidet. Dann wird es auch für Europa teurer. Aber „eingepreist“ ist offenbar beides, einen „Grexit-Crash“ wird es wohl nicht mehr geben.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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