Causa Meinl: Eine Blamage für die Anklägerin

Über vier Jahre ermittelte die Staatsanwaltschaft Wien, bis sie die Anklage gegen Vorstände und Aufsichtsräte der Meinl Bank wegen des Verdachts der Untreue zustellte.

Im Justizministerium hatte es zuvor massive rechtliche Bedenken gegen diese Anklage gegeben, weshalb Minister Wolfgang Brandstetter den Weisenrat mit der Sache befasste. Der sprach sich für die Anklage aus – und blamierte sich mit dieser Entscheidung letztlich genauso wie die Staatsanwaltschaft Wien.

Peter Weinzierl, Julius Meinl und die anderen Angeklagten erhoben gegen die Anklage Einspruch. Ein Schritt, der fast nie zum Erfolg führt. Anders in der Causa Meinl. Hier entschied das Oberlandesgericht Wien (OLG) sehr schnell, dass der Einspruch tatsächlich berechtigt sei. Salopp gesagt, richtet das Gericht der Staatsanwaltschaft aus: Die Suppe, die ihr da präsentiert habt, ist zu dünn. Klärt den Sachverhalt besser auf, bevor ihr jemanden eines Verbrechens bezichtigt.

Tatsächlich staunt man, wie wenig die Staatsanwaltschaft offenbar von gesellschaftsrechtlichen Abläufen weiß. Die Hauptversammlung, in der über die strittige Dividende entschieden worden ist, sei nach „Drehbuch“ abgelaufen und ein Indiz für einen einheitlichen Tatplan, argumentierte sie etwa in der Anklage. Weiß die Staatsanwaltschaft nicht, dass jede Hauptversammlung einer AG (hoffentlich) genauestens vorbereitet wird und ein Sprechspiegel zur Normalität gehört?

Die Staatsanwaltschaft stellte auch fest, die Meinl Bank hätte 228 Mio. Euro für 2008 rückstellen müssen. Jedoch, so kritisiert das OLG, sei nicht nachvollziehbar, wie die Anklägerin auf diese Summe kommt. Ein Fehler, der nach all den Jahren der Recherche nie und nimmer passieren dürfte.

Dass all jene, die Meinl-Wertpapiere gekauft und dabei viel Geld verloren haben, Julius Meinl und seine Kollegen liebend gern auf der Anklagebank sehen wollen, ist menschlich verständlich. Die Staatsanwaltschaft ist aber nicht Partei, sondern Behörde. Sie ist zur Objektivität verpflichtet.

judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

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