Kleinlichkeit – ein sehr verlässliches Gift

Ein deutscher Kfz-Mechaniker trifft sich mit seinem Arbeitgeber vor Gericht, weil er findet, dieser schulde ihm Geld. Und zwar für die Zeit, die er fürs tägliche Umziehen benötigt.

Ein deutscher Kfz-Mechaniker trifft sich mit seinem Arbeitgeber vor Gericht, weil er findet, dieser schulde ihm Geld. Und zwar für die Zeit, die er fürs tägliche Umziehen benötigt. Nicht nur das, auch fürs Duschen nach Dienstschluss will der Mann von seinem Brötchengeber Geld sehen. Insgesamt – so die Rechnung des langjährigen Mitarbeiters – würden ihn die Stadtwerke Oberhausen täglich um satte 20 Minuten prellen: Zehn davon brauche er fürs An- und Umziehen, zehn fürs Duschen.

Was sagt uns dieser sonderbare Rechtsstreit? Dass die Stadtwerke Oberhausen kleinlich mit ihrem Mechaniker umgehen, der schon 20 Jahre für sie arbeitet und nichts anderes will, als ohne Benzingeruch und ölverschmierte Hände seine Arbeitsstätte zu verlassen? Oder aber, dass der Arbeiter nicht ganz richtig ticken kann, wenn er tatsächlich erwartet, auch für die Zeit seiner Körperpflege habe er Geld zu kassieren? Duscht er denn an freien Tagen nicht auch einmal am Tag?

Nein, die Antwort ist eine andere. Irgendetwas muss in dem Verhältnis zwischen ihm und seinen Vorgesetzten grob schiefgelaufen sein. Kein Arbeitgeber, der mit seinem Mitarbeiter zufrieden ist, und kein Arbeitnehmer, der sich fair behandelt fühlt, würde sich wohl sonst wegen einer Zehn-Minuten-Lappalie bis in die zweite Instanz streiten. Denn was gewinnt der Mechaniker, wenn er für tägliches Duschen bezahlt wird? Womöglich einen Chef, der künftig stoppt, wie lang er fürs Duschen und Umziehen braucht. Und was hat der Chef von einem Sieg bei diesem Streit?

Einen verdrossenen Mechaniker, der pünktlich den Schraubenzieher wird fallen lassen. Bravo!

Erfolge sehen anders aus.

judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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