Uns droht die Japanisierung der Wirtschaft

Mit Gelddrucken allein ist die Konjunktur nicht in Schwung zu bringen.

In den Wirren um die Flüchtlingskrise ist es in den vergangenen Tagen ein wenig untergegangen: Die Inflation ist weiter gesunken. Und zwar so gut wie überall in der industrialisierten Welt. In den USA ist sie unterdessen bei null angelangt, in der Schweiz herrscht sogar echte Deflation.

Das ist eine sehr betrübliche Nachricht, denn stark sinkende Inflationsraten, während die Notenbanken gleichzeitig über QE-Programme Fantastilliarden in die Märkte schütten, deuten ja darauf hin, dass die Weltwirtschaft in einem sehr schlechten Zustand ist. In einem viel schlechteren jedenfalls, als man uns weiszumachen versucht.

Dass die sogenannte Kerninflation (ohne Öl und Nahrungsmittel) ein bisschen höher liegt, ist übrigens keine Beruhigung: Der Ölpreis ist ja nicht zuletzt deshalb so niedrig, weil die schwache Weltwirtschaft eben für zu wenig Nachfrage sorgt.

Noch beunruhigender ist aber, dass weiter versucht wird, das Problem mit den altbackenen, unwirksamen Rezepten in den Griff zu bekommen: Die Amerikaner überlegen, ihre ursprünglich schon für September angekündigte Zinswende ins nächste Jahr weiterzuschieben, die EZB überlegt, ihr Anleihenkaufprogramm aufzustocken, und auch die Japaner, die die Unwirksamkeit solcher Gelddruckprogramme schon seit 2001 beobachten können, überlegen, noch mehr Geld ins System zu schütten.

Dabei sollte sich die Erkenntnis des US-Notenbankers Stephen D. Williamson, dass Gelddrucken bei Nullzinsen genau nichts bewirkt, ja langsam herumgesprochen haben. Das entspricht in etwa dem Versuch, einen Kokainsüchtigen mit immer höheren Dosen vom Gift wegzubringen.

Das ist natürlich nicht nur die Schuld der Notenbanker: QE-Programme können kein Nachfrageproblem lösen, sie können der Wirtschaftspolitik nur Zeit für Strukturreformen gewinnen. Nicht mehr. Dass die, nicht nur in Österreich, diese gewonnene Zeit nicht nutzt, ist das eigentliche Problem. Was uns droht, ist die Japanisierung der Weltwirtschaft. Das garantiert, dass uns die Krise noch sehr lang erhalten bleibt. Samt Ende mit Schrecken.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2015)

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