Die Ökonomen und das naive Milchmädchen

Warum der Konsum trotz Lohnsteuersenkung nicht vom Fleck kommt.

Ökonomen, von der Nationalbank bis zum Wifo, wundern sich nun darüber, dass die größte Lohnsteuerreform aller Zeiten den privaten Konsum bisher um ziemlich genau null Prozent stimuliert hat. Mein Milchmädchen dagegen wundert sich, dass sich die gescheiten Ökonomen darüber wundern. Mein Milchmädchen, müssen Sie wissen, stellt gern Rechnungen an. Es verfügt dazu aber nicht über hochkomplexe ökonometrische Rechenmodelle, sondern nur über die Grundrechnungsarten und ein bisschen Hausverstand.

Neulich hat es einen Blick in die Steuerstatistik des Finanzministeriums geworfen und dort im Punkt „Abgabenerfolg des Bundes (UG 16)“ Folgendes entdeckt: In den ersten drei Monaten hat die Lohnsteuerreform zwar zu einem Rückgang der Lohnsteuereinnahmen um 306 Mio. Euro geführt. Gleichzeitig sind aber die Einnahmen aus Verbrauchs- und Verkehrssteuern um 508 Mio. Euro gestiegen. (Besonders stark übrigens die energiebezogenen Steuern.)

Wie, fragt mein Milchmädchen, sollen die Leute mehr konsumieren, wenn ihnen der Staat ganz offensichtlich aus der linken Tasche mehr herausnimmt, als er bei der rechten hineingibt? Ist halt naiv, das Milchmädchen. Und versteht nichts von Volkswirtschaft. Außerdem wird der Konsum ohnehin im zweiten Quartal voll losbrechen, sagen die Ökonomen. Glauben wir aufs Wort, zumal ja die Mehrwertsteuer auf bestimmte Tourismus- und Freizeitdienstleistungen gerade erst per erstem Mai um 30 Prozent (von zehn auf 13 Prozent) erhöht wurde.


Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal übrigens fast doppelt so schnell gewachsen wie die österreichische. Real, also unter Abzug eines an die Inflation angelehnten Deflators. Die Inflation ist in Österreich aber deutlich höher als beim Nachbarn. Daran ist in hohem Maß die öffentliche Hand mit ihren Gebühren- und Steuerorgien schuld, sagen Wirtschaftsforscher. Kann das heißen, dass die österreichische Wirtschaft vom Staat stark gebremst wird und wir jetzt einen richtig kernigen Neustart brauchen würden?, fragt das Milchmädchen. Ist halt, wie gesagt, ein wenig naiv . . .

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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