Mit der scharfen Zinswaffe gegen die Sparer

Ökonomen und Notenbanker diskutieren offen unsere Enteignung.

Wenn eine Medizin nicht wirkt, dann erhöht man beim nächsten Schub einfach die Dosis. Ist doch klar, oder? Notenbanker und Ökonomenstars werden da zustimmend mit dem Kopf nicken.

Einer der prominentesten unter ihnen, der Harvard-Professor Kenneth S. Rogoff, hat nun vorgeschlagen, bei der nächsten Rezession ins Volle zu greifen und Negativzinsen von vier, fünf oder sechs Prozent einzuführen. Bei null sind wir ja schon. Dass mit Zinssenkungen allein keine Konjunktur zu machen ist, kann man sich zwar seit 25 Jahren in Japan und neuerdings auch in Europa ansehen, aber vielleicht hilft mehr davon?

Natürlich wird kein Anleger so blöd sein zuzuschauen, wie sich sein Finanzvermögen auf der Bank bei sechs Prozent Minuszinsen in zehn Jahren nominell halbiert. Weshalb Bargeld, das die Bankkunden in dem Fall säckeweise daheim horten würden, natürlich auch verboten gehört.

Nicht ganz allerdings, ein paar Zehner- und eventuell sogar Zwanzigerscheine will uns der Herr Professor für kleinere Ausgaben schon noch lassen. Aber grundsätzlich gehöre Geld nicht gehortet, sondern in den Wirtschaftskreislauf. Und wenn das die dummen Sparer nicht einsehen, dann muss man sie dazu eben mit der Zinswaffe zwingen.

Jetzt könnte man trefflich über den schmalen Grat zwischen professoralem Genie und Wahnsinn fabulieren oder darauf hinweisen, dass der gute Starökonom eben gerade sein neues Buch, in dem diese Thesen stehen („The Curse of Cash“) promoten muss. Aber so einfach ist die Sache leider nicht: Die krausen Thesen werden unter Notenbankern, Finanzministern und so weiter durchaus schon ernsthaft diskutiert. Und, extrem alarmierend: Rogoff lehrt in Harvard, wo die Hochfinanz ihren Nachwuchs rekrutiert. Er ist also alles andere als einflusslos.

Irgendwie muss man natürlich aus dem globalen Schuldendilemma herauskommen und dies wäre eine der offenbar praktikablen Methoden, die Vermögen der Bevölkerung für diesen Zweck abzuschöpfen. Dass bereits ernsthaft über eine solch krasse Form von Finanz-Totalitarismus diskutiert wird, ist allerdings ein extremes Alarmzeichen für den Zustand der globalen Finanzwirtschaft.

Da gilt es jetzt wachsam zu sein. Bargeld ist, auch wenn seine Bedeutung abnimmt, gedruckte Freiheit. Die sollten wir uns nicht so einfach nehmen lassen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)

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