Transparenz hilft gegen die Kassenplünderer

Die Steuerbürger sollten wissen, was die Sozialversicherung sie kostet.

Bemerkenswert ist nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der Regierungsmitglieder neuerdings versuchen, Sozialversicherungstöpfe (aktuell etwa zur Finanzierung von Agrarförderungen oder Bauoffensiven) zweckwidrig auszuräumen, sondern auch die stoische Gelassenheit, mit der sich das die Beitragszahler gefallen lassen. Wird wohl zu einem Gutteil daran liegen, dass nur wenige eine Idee davon haben, was ihre soziale Absicherung sie kostet.

Schauen wir also einmal nach: Hat jemand 2000 Euro brutto auf dem Lohnzettel stehen, verdient er inklusive Lohnnebenkosten (die ja ein normaler, wenn auch auf Lohnzetteln verschleierter Gehaltsbestandteil sind) 2618 Euro, bekommt aber nur 1482 Euro netto aufs Konto überwiesen. Sein Beitrag für die Sozialversicherung beläuft sich in diesem Fall auf 792 Euro im Monat – und darin ist der auf die sogenannten Sonderzahlungen fällige SV-Beitrag noch gar nicht enthalten.

Jemand, der in der Gegend der Höchstbeitragsgrundlage 4850 Euro brutto verdient, zahlt 1920 Euro im Monat Sozialversicherung (von denen allerdings nur 878,82 Euro auf dem Lohnzettel als Arbeitnehmerbeitrag ausgewiesen werden).

Er zahlt also den Gegenwert eines günstigeren Mittelklasseautos im Jahr in die Sozialversicherung ein. Das ist nicht so wenig. Natürlich bekommt er dafür auch etwas geboten: vergleichsweise gute Gesundheitsversorgung beispielsweise oder eine Pension.


Nur: Wir brauchen Mechanismen, die den zweckentfremdenden Griff in diese Kassen zum Tabu machen. Einer dieser Mechanismen wäre, wirklich die gesamte Belastung der Einkommen (einschließlich der Nebenkosten, die ja, wie gesagt, normale Lohnbestandteile sind) auf dem Lohnzettel auszuweisen.

Oder, noch besser, Löhne und Gehälter inklusive Lohnnebenkosten auszuzahlen, und die Abführung von Steuern und Sozialabgaben den Steuerpflichtigen zu überlassen. Wer sieht, wie viel er zahlt, der wird vielleicht auch ein bisschen besser aufpassen, wenn sein Geld frech abgezweigt wird. Das wäre allerdings mustergültige Transparenz – und kommt politisch schon deshalb keineswegs infrage.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2016)

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