Der Doyen der internationalen Dirigentenriege gibt sich die Ehre

Lorin Maazel spornt die Philharmoniker international wie in "Heimspielen" zu Höchstleistungen an - und bekommt als Kurzzeitdirektor der Staatsoper ein Denkmal gesetzt.

Ob er das ein wenig zynisch kommentieren wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat Lorin Maazel sein Kommen zugesagt: Am kommenden Mittwoch wird in einem der Foyers der Wr. Staatsoper eine Maazel-Büste enthüllt. Das hat eine gewisse Logik, denn es gibt von allen dirigierenden Direktoren des Hauses die modellierten Konterfeis. Unter den Augen von Gustav Mahler und Richard Strauss – ach ja, Maazel ist auch Komponist! – von Herbert von Karajan und Karl Böhm kann man vor Vorstellungsbeginn oder in den Pausen Champagner schlürfen.

Nun reiht sich Maazel in die Galerie ein – er war von 1982 bis 1984 Staatsoperndirektor, und die Wunden, die von der damaligen – durchaus politisch mitgeprägten – Hetzkampagne gegen ihn geblieben sein mögen, sind lang vernarbt. Vor allem aber: Maazel wurde damals für eine von ihm klanglich unschön mit dem Wort „Blocksystem“ benannte Spielplanreform kritisiert, die sich als ebenso dauerhaft wie die zuvor von Karajan proklamierte „Originalsprachen“-Doktrin erwiesen hat.

Italienisches und Französisches, ja auch Russisches wird heutzutage italienisch, französisch oder russisch gesungen – und kaum jemand weiß mehr, dass das noch vor einer Generation keineswegs selbstverständlich war. Ich erinnere mich noch gut, wie eine bedeutende Sängerin halb krank vor Stress war, als sie ihre Partie in „Boris Godunow“ wider Erwarten auf Russisch zu lernen hatte. In den Achtzigerjahren beschloss man erst während der Probenphase zu Dvořáks „Rusalka“, lieber doch das tschechische Original zu wählen . . .

Heute fällt gar niemandem mehr ein, dass sich die Frage überhaupt stellen könnte, ob die Verwendung der Originalsprache wirklich in allen Fällen so hundertprozentig begrüßenswert ist.

Das Nämliche gilt für das Blocksystem. Undenkbar, dass „Tristan“, wie er eben gerade stattfindet, nur als Solitär im Spielplan aufscheint – was noch in den Siebzigerjahren selbstverständlich gewesen wäre. Lorin Maazels Grundsatzentscheidung ist von keinem seiner Nachfolger mehr auch nur diskutiert worden. Nie abgerissen ist gottlob der Kontakt zwischen den Philharmonikern und dem Dirigenten nach dessen unschönem Abgang, 1984 (Orwells gleichnamiger Roman inspirierte Maazel Jahrzehnte später zu einer Oper!).

Die künstlerische Zusammenarbeit – die mit Aufführungen wie „Turandot“ auch im Haus am Ring Gipfel stürmte – erlebte soeben auf Tournee und daheim beeindruckende konzertante Auffrischungen. Darunter eine charmante Reverenz: Das erste „Philharmonische“ der Saison 2013/14 begann virtuos (wenn auch durch einem kleinen Schmiss „veredelt“) mit Tschaikowskys Orchestersuite Nr. 3, jenem Werk, mit dem die Philharmoniker mit Maazel einst ihren Aufnahmezyklus für Decca (mit bis heute legendären Sibelius- und Tschaikowsky-Einspielungen) abgeschlossen hatten.

E-Mails: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)

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