Ein Mathematiker ist keine Kaffeemaschine, eher im Gegenteil

Platz elf in Mathematik! Das erfreuliche Ergebnis der PISA-Studie sollte das Image der muntersten aller Wissenschaften weiter verbessern.

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Ein Mathematiker, sagte der ungarische Mathematiker Paul Erdös, sei eine Maschine, die Kaffee in Theoreme verwandelt. Er selbst nahm nicht nur viel Koffein zu sich, sondern auch Amphetamin, er schlief wenig, hielt es nie lange an einem Ort aus, und er sprach gern grantig von Gott als „Oberfaschisten“, weil dieser uns das Buch nicht gebe, in dem alle perfekten Beweise stehen.

Auch den Beweis für den obigen ersten Satz? Ich glaube nicht. Darum ist er, mathematisch gesehen, wohl gar kein Satz. Eher eine Definition. Aber interessant. Auch weil er unserem Nationalstolz schmeichelt. Er führt uns nämlich vor Ohren, dass man in Österreich besser weiß, wie man Wörter betonen muss als in Deutschland. Dort betont man Kaffee auf der ersten und Mathematik auf der letzten Silbe. Mathematiker aber – wie in Österreich – auf der dritten. Wie inkonsequent.

Woher kommt dieses schöne Wort, das wir von nun an so fest mit der Zahl elf verbinden werden wie den Ort Córdoba mit der Zeichenfolge 3:2? Aus dem Griechischen, von „mathema“, das bedeutet das Gelernte, die Kenntnis, die Wissenschaft und kommt vom Verb „manthano“ (lernen), das mit unserem „munter“ verwandt ist, was wieder gut zu Erdös' Definition passt.

Als „esprit mathematique“ (den man sozusagen à l'allemande auf der letzten Silbe betont) bezeichnete laut Peter Handke („Das Gewicht der Welt“, 1976) ein Mathematiker „die Fähigkeit, von jeder Erscheinung die Umkehrmöglichkeit zu sehen: Warum sagt man: ,Das Glas steht auf dem Tisch‘ und nicht: ,Der Tisch steht unter dem Glas‘?“

Der Mathematiker kommt auf der nächsten Seite von Handkes Tagebuch gleich noch einmal vor: Seine Pupillen „schnellen manchmal im Auge auf und ab und kreuz und quer, wie die weißen Punkte in den Tennisautomaten in den Cafés“. Verwandelt er gerade Kaffee in ein Theorem? Und, apropos Umkehrmöglichkeit: Ist eine Maschine denkbar, die Theoreme in Kaffee verwandelt?

Irgendwie dazu passt ein Bonmot, das ich auf einer Homepage für Mathematikerwitze gefunden habe: „Ein Ingenieur denkt, dass Gleichungen eine Annäherung an die Realität sind. Ein Physiker denkt, dass die Realität eine Annäherung an die Gleichungen ist. Einem Mathematiker ist es egal.“ Schließlich kann ja auch keiner sagen, ob die Zahlen in der Welt oder im Kopf oder in der Welt und im Kopf oder ganz woanders sind.

Der kürzeste Mathematikerwitz geht jedenfalls laut einschlägiger Homepage so: „Sei ε0“. Darüber können Mathematiker herzlich lachen. Auch das macht sie sympathisch. So wie die Lässigkeit, mit der sie x tagtäglich gegen unendlich gehen lassen und „fast alle“ als „alle bis auf endlich viele“ erklären. Und wie der Satz, den uns durch den n-dimensionalen Raum stolpernden Chemikern einmal ein Mathematiker gesagt hat: „Mathematik ist die Kunst, das Rechnen zu vermeiden.“ Das sollte sich noch zu allen unseren Gymnasialprofessoren herumsprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2013)

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