Altmodisch, konservativ – romantisch

Die Vereine der deutschen Bundesliga haben technische Hilfsmittel abgelehnt. Es leben die Fehlentscheidungen.

Was den Europacup betrifft, so hat die deutsche Bundesliga den Engländern zweifelsfrei den Rang abgelaufen. Das war auch schon vor dem Duell Bayern München gegen den FC Arsenal sonnenklar, gegen den Titelverteidiger ist offenbar auch in dieser Saison kein Kraut gewachsen. Zumindest in einem Punkt aber ist die Premier League dem deutschen Fußball einen Schritt voraus, auf der Insel hat man nämlich in der obersten Spielklasse ein technisches Hilfsmittel eingeführt. Das „Hawk Eye“ hat sich dann auch gleich am ersten Spieltag bewährt. Englands Vorzeige-Referee Howard Webb meinte damals: „Fragen Sie irgendeinen Premier-League-Schiedsrichter, wir sagen alle, dass wir die Technik begrüßen. Einfach weil wir bessere Chancen haben, eine genaue Entscheidung zu treffen.“

In der deutschen Bundesliga sieht man das offenbar anders. Dort wurde der technischen Überwachung der Torlinie ganz demokratisch eine Absage erteilt. Zwei Drittel der insgesamt 36 Vereine in den beiden Profiligen sind dagegen. Und führten natürlich die Kosten ins Treffen. Ein auf Kameras basierendes System hätte die Vereine rund drei Jahre 500.000 Euro gekostet, eine auf Magnetfeldern fußende Überwachung rund 250.000. Unter den Erstligaklubs lautete das Abstimmungsverhältnis 9:9, unter den Vertretern der zweiten Liga 3:15. Die technischen Hilfsmittel hätte man nur mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen können.

Es geht also ums liebe Geld. Es geht aber auch um Tradition, wenn man so will, um Romantik. Die Mehrheit der vielleicht besten Liga der Welt (die Spanier bitten wir um Verzeihung) ist für die – Fehlentscheidung. Denn bis auf Weiteres, so sagt der Präsident des Ligaverbandes, ist das Thema erledigt. Es wird damit weiterhin Diskussionen darüber geben, ob der Ball drinnen war – oder eben nicht. Es wird noch einige Wembley-Tore, Hemer-Treffer oder Kießling-Goals geben. Und dabei schreiben wir das Jahr 2014 und reden über eine der reichsten Liga dieses Planeten. Aber offenbar brauchen das die Fans, diese Phantomtore und Fehlentscheidungen. Und die Schiedsrichter, über die man so schön schimpfen kann, weil sie doch mit Blindheit geschlagen sind. Dabei ist ein Ball ab zwölf Kilometern pro Stunde mit dem freien Auge nicht mehr genau zu erfassen.

Bei der WM in Brasilien werden technische Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Bemerkenswert, dass die Fifa in diesem Punkt weniger konservativ als Deutschland ist. Oder eben weniger romantisch.

E-Mail:wolfgang.wiederstein@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2014)

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