Der erste Medien-Aprilscherz: Hühner, die die Farbe wechseln

Woher der Aprilscherz stammt, warum aus einem Unglückstag ein Witztag wurde, und wie der WDR die Welt mit einer Schubert-Messe narrte.

Gleich vorweg: Diese Kolumne kommt ohne Aprilscherz aus, auch wenn er dauernd darin vorkommt. Die Erklärungen, wie er entstanden sein soll, sind schon närrisch genug: Hat die Neigung zum Fremdgehen eines französischen Königs den ersten Aprilscherz herausgefordert? HeinrichIV. vertraute dem Brief einer jungen Unbekannten und wurde beim versprochenen Rendezvous von seiner Ehefrau und ihrem Hofstaat verspottet. Auch der aus Schillers „Don Carlos“ bekannte Herzog von Alba wird für eine Ursprungslegende bemüht: Nach seiner Vertreibung aus der Burg Brill soll unter Ostfriesen der Spottvers „Am 1.April verlor Alba sein Brill!“ umgegangen sein.

Plausibel an den zwei Geschichten ist nur, dass die Tradition des „April-Schickens“ (ab dem 19.Jahrhundert mit dem Zusatz „in den“) wirklich ins 16.Jahrhundert (oder noch weiter) zurückreicht. Im 17.Jahrhundert finden sich erste Belege in Deutschland, auch dort, wo das Aprilwetter nicht macht, „was es will“, sondern traditionell stabil ist –, was auch die meteorologische Erklärung (man macht's dem närrischen Wetter nach) zunichtemacht. Im 18.Jahrhundert war der Scherz schon eine Institution, wie das Mozart-Singspiel „Die Gärtnerin aus Liebe“ verrät, oder Goethes Verse „Willst du den März nicht ganz verlieren, so lass nicht in April dich führen. Den ersten April musst überstehen, dann kann dir manches Gute geschehen.“

Überstehen – war die Gefahr, einem Aprilscherz zum Opfer zu fallen, schon damals so groß? Vielleicht war Goethe einfach bewusst, was heute in Vergessenheit geraten ist, aber den ersten April schon in der Antike besonders machte: Er galt als Unglückstag, wie tendenziell jeder Erste des Monats, allerdings besonders stark, als solcher scheint er etwa in der von Augustus erlassen Liste „dies senatus legitimi“ auf. Die Christen verchristlichten den Unglückstag durch neue Begründungen: etwa dass an diesem Tag Judas, der Verräter, geboren oder Satan aus dem Himmel gestoßen worden sei.

Vermutlich fließt im Aprilscherz das traditionelle Unglücksdatum mit kultischen Frühlingsbräuchen zusammen, die den Narrenbräuchen der Fastnachtszeit ähnelten. So zumindest erklärt es Walter de Gruyters altes „Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens“: „Es äußert sich darin die ungebundene Fröhlichkeit, welche alle Menschen bei Beginn des Frühlings ergreift.“ Der Aprilnarr symbolisiere „den machtlosen Winter, mit dem der Sommer tun kann, was er will“.

Auch das Motiv der Täuschung hat in dieser Erklärung Platz. Es kommt in den kultischen Frühlingsfesten vieler Kulturen vor, etwa bei den römischen Quirinalia. Die Römer ordneten auch der Liebesgöttin Venus den 1.April zu, was ihr den Beinamen „Aprilis“ bescherte, und feierten ihr zu Ehren die Saturnalien, ein Paradefest staatlich erlaubter Anarchie, in der Standesunterschiede fielen, Maskerade und Schabernack herrschten. Für die nordische Mythologie wird etwa auf die Sagensammlung „Edda“ verwiesen, in der der Winterriese Thrym von einem sich als Frühlingsgöttin Freya verkleidenden Thor getäuscht wird.

Aus dem Norden stammt auch der älteste mediale Aprilscherz: Ein deutscher Zeitungsartikel erklärte, wie man nicht nur Ostereier, sondern auch Hühner in jeglichen Farben züchten könne: Man streiche einfach deren Umgebung in der gewünschten Farbe an, die Hühner würden sich dieser Farbe automatisch anpassen. Ebenfalls aus Deutschland stammt einer der besten Aprilscherze der Mediengeschichte: die „Welt-Uraufführung“ einer großen „wiederentdeckten“ Schubert-Messe am 1.April 1997 im WDR, die Andacht hervorrief – bis der Sender tags darauf bekannt gab, dass das Werk von einem seiner Journalisten stamme. Eine Hörerin war besonders empört: Da habe nun einer eine Schubert-Messe gefunden und gebe sich jetzt als ihr Verfasser auf, das sei ja unerhört...

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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