Autos, gebaut zum Fahren, nicht zum Bremsen

Rückrufaktionen scheinen derzeit zum guten Ruf eines Autoherstellers zu gehören. Seien wir dankbar.

Was ist eigentlich mit Volvo los? Irgendetwas kann mit dem schwedischen Autobauer nicht stimmen, weil er derzeit überhaupt keine Autos zurückruft. Es scheint nämlich dieser Tage zum guten Ton zu gehören, seine Autos in die Werkstatt zu beordern.

Den jüngsten Beweis lieferte am Freitag BMW. Die Bayern empfahlen fast 500.000 Besitzern einen Abstecher zum Fachhändler: Schrauben des Nockenwellenstellers könnten nachgeben und den Motor beschädigen.

Toyota hat zwei Tage früher die die zweitgrößte Rückrufaktion seiner Firmengeschichte gestartet und 6,58 Millionen Fahrzeuge zum Service bestellt, weil es bei verschiedenen Modellen Probleme an den Sitzschienen, mit einem Befestigungspunkt der Lenksäule oder mit dem Kabelbaum geben könnte. Und zuvor hatte schon General Motors sein PR-Desaster par excellence: Erst mussten 1,6 Millionen Fahrzeuge wegen fehlerhafter Zündschlösser zurückgerufen werden, dann folgten Airbag-Probleme – insgesamt waren heuer etwa 4,8 Millionen Fahrzeuge von GM betroffen.

Warum kommt es zu diesen massenhaften Rückrufen? Recht naheliegend sind Sparmaßnahmen bei der Fertigung. Die führten in den 1990er-Jahren etwa dazu, dass sich die E-Klasse von Mercedes einen legendären Ruf für ihre Rostanfälligkeit erwarb: Die Deutschen hatten beim Korrosionsschutz gespart und eine neue, billigere Lackiertechnik angewandt.

Bei Alfa wiederum erhielten die Vertragswerkstätten Ende der 1990er-Jahre bei einigen Modellen acht bis zehn Stunden gutgeschrieben, um die frisch ausgelieferten Neuwagen nachzubessern. Eine fehlende Abdichtung ruinierte beispielsweise bei Regen die ABS-Sensoren.

Für die hohe Zahl der betroffenen Autos sind neue Fertigungsmethoden verantwortlich. Früher bot ein Hersteller weniger Modelle, die sich dafür wesentlich unterschieden. Heute ist die Produktpalette gewachsen, dafür ist das Innenleben vieler Modelle technisch weitgehend gleich. Im VW-Konzern werden beispielsweise der Audi A3, der VW Golf, der Seat Leon und der Skoda Octavia auf dem „modularen Querbaukasten“ aufgebaut, bald sollen weitere Modelle folgen. Damit sinken die Stückkosten, man kann schnell auf Nachfrageschwankungen reagieren – bei einem Fehler sind aber gleich mehrere Modelle verschiedener Marken betroffen.

Immerhin reagieren die Hersteller. Ettore Bugatti (1881–1947) soll einst auf Kritik an den schlechten Bremsen seiner Autos recht unwirsch gesagt haben: „Meine Autos sind zum Fahren gebaut, nicht zum Bremsen.“

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.