Neues aus der Welt der Spione: Besser schreiben mit der CIA

Das CIA-Stilhandbuch für Geheimdienstberichte mahnt zu schnörkelloser Sprache und gibt unfreiwillig Einblick in die Weltsicht der Agenten.

Da sage noch jemand, in Zeiten des Internets gäbe es keine Geheimnisse mehr: Seit mindestens eineinhalb Jahren ist das 190 Seiten starke Stilhandbuch der CIA frei auf der Website der National Security Counselors zu finden, einer Gruppe von amerikanischen Grundrechtsaktivisten und Rechtsexperten für Geheimdienstbelange. Doch erst vor ein paar Tagen gelangte dieses Dokument über diverse soziale Netzwerke an die interessierte, wenn auch nicht allzu breite Öffentlichkeit.

Was also bezweckt der amerikanische Auslandsgeheimdienst mit dieser achten Ausgabe des „Style Manual and Writers Guide for Intelligence Publications“ aus dem Jahr 2011? „Gute Aufklärung beruht in großem Maß auf klarem, konzisem Schreiben“, mahnt Fran Moore, die Direktorin der Aufklärungsabteilung im Vorwort. „Die Informationen, die die CIA sammelt, und die Analysen, die sie erstellt, bedeuten wenig, wenn wir sie nicht wirksam übermitteln können.“

Darum erteilt der Geheimdienst seinen Analysten und Agenten neben langen Vokabellisten, Ratschlägen für korrekte Abkürzungen und Schreibweisen auf Seite 145 eine Handvoll Faustregeln.

Erstens schreibe man „frisch und scharf“: „Bevorzugen Sie das Direkte gegenüber dem Pompösen und Verschnörkeltem“, mahnt das Handbuch. Man halte außerdem streng am Thema fest: „Lassen Sie das Belanglose aus, auch wenn es noch so brillant scheinen mag oder ist.“ Sätze und Absätze hätten kurz, ihr Aufbau variabel zu sein. Adjektive und Adverbien seien sparsam einzusetzen: „Lassen Sie Hauptwörter und Verben ihre Kraft zeigen.“ Und man sei objektiv: „Schreiben Sie als Berichterstatter oder Analyst oder Verwalter, außer Sie sind dazu berechtigt, wie ein politischer Entscheider zu schreiben.“

Hier wird es interessant. Denn wie jeder Journalist weiß, ist es unmöglich, völlig objektiv zu sein. Auch wenn man sich noch so sehr um Ausgewogenheit und Fairness müht: Allein mit der Wahl des Themas legt man eine subjektive Vorliebe an den Tag.

Während die CIA ihre Mitarbeiter dazu aufruft, sachlich über ihre Aufklärungsergebnisse zu berichten, schreibt sie ihnen ein Vokabular vor, das von politischen Wertungen unterfüttert ist. Das Wort „Regime“ zum Beispiel habe „einen herabsetzenden Beiklang und sollte nicht verwendet werden, wenn man sich auf demokratisch gewählte Regierungen oder, allgemein, auf Regierungen bezieht, die den Vereinigten Staaten gegenüber freundlich gesonnen sind“. „Imperialismus“ sei nur unter Anführungszeichen zu verwenden, denn so sagen Kommunisten zu all ihren Gegnern.

Selbst in den kleinsten Details findet man die Ideologie: Man schreibe „Six-Day War“ mit großem W, aber „Vietnam war“ mit kleinem, denn Letzterer wurde nie erklärt. Das ist zwar völkerrechtlich korrekt, ändert aber nichts an dem, was sich in Indochina zwischen US-Truppen und vietnamesischen Kämpfern abspielte.

Erstaunlich ist auch, dass die CIA dieses harmlose Dokument, das aus Stilfibeln von Zeitungen und Nachrichtenagenturen sowie Wörterbüchern zusammengestellt wurde, geheim halten wollte. Die National Security Counselors mussten eine Anfrage nach dem Freedom of Information Act stellen, um es ausgehändigt zu bekommen. So macht das CIA-Handbuch den Geheimhaltungswahn der US-Regierung deutlich.
Wer zudem den Spitzen der CIA bei ihren Aussprachen vor Kongressausschüssen zugehört hat, ihren Ausflüchten und Beschönigungen, fragt sich, ob sie ihre eigene Stilfibel gelesen haben. „Politische Sprache und politisches Schreiben“, hielt George Orwell in seinem Essay „Politics and the English Language“ fest, „sind großteils die Verteidigung des Unhaltbaren.“ Das gilt im Jahr 2014 ebenso, wie es 1946 galt.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2014)

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