Alles ganz legal: Dukatensalbe bewirkt so manches Wunder

Wie verbucht man 100 Millionen Dollar, die zur Einstellung eines Prozesses führen: Schmiergeld, Schutzgeld oder Sonderausgaben?

Mit umgerechnet rund 74 Millionen Euro hat sich Bernie Ecclestone in München vom Vorwurf der Schmiergeldzahlung an einen bayerischen Banker befreit, der vor zwei Jahren vom selben Richter in dieser Causa zu langer Haftstrafe wegen Bestechung verurteilt worden war. Was den mächtigen Formel-1-Vermarkter betrifft, reichten dem Landgericht die Beweise jedoch nicht aus. Der Prozess wurde gegen Cash eingestellt.

Das ist in Deutschland durchaus üblich und rechtskonform. Vor dem Gesetz hilft kein Moralisieren. Das Gericht befand: Ecclestone darf in diesem Fall unbescholten weiter Geschäfte mit Leuten machen, die im Kreis fahren.

Wie aber nennt man ganz im Allgemeinen solch eine gerichtlich sanktionierte Transaktion zur Bewahrung eines Rufes? Aus Sicht der Zahlenden scheint die Sache klar. Sie verbuchen den Posten als legale Variante von Schmiergeld. Vielleicht sind solche Ausgaben in manchen Oasen sogar steuerlich absetzbar. Aus Sicht des Freistaates Bayern aber, der einige Amigo-Affären unbeschadet überstanden hat, handelt es sich bei solchen Freikäufen wohl eher um hochoffizielles Schutzgeld. Nicht nur dubiose Privatunternehmen schützen gegen eine geringe Gebühr vor Störung des Geschäfts, auch Herrscher bedienen sich dieses Systems. In Ecclestones Heimat zum Beispiel war vor mehr als tausend Jahren das Danegeld üblich. König Æthelred begann 991 damit, als Schutzgeld 10.000 Pfund Silber an die Dänen zu zahlen. 18 Jahre später hatte sich der Tribut fast verfünffacht.

Wer weiß, vielleicht kommen die Bayern jetzt erst auf den Geschmack. Freikauf hatte schon im Heiligen Römischen Reich Tradition. Im Mittelalter gab es ein Hoheitsrecht, das Juden unter den Schutz des Kaisers stellte. Dieses Regal war eine wichtige Einnahmequelle. Schutzjuden zahlten exorbitante Beträge, um vor Verfolgung sicher zu sein – jedenfalls bis zum nächsten Pogrom. FriedrichII. erklärte 1236 alle Juden zu Kammerknechten und kassierte kräftig. Auch Kaiser Rudolf von Habsburg nutzte solch ein herrscherliches Recht. Allerdings hatte es eine Klausel, Schützlinge auch ersatzlos enteignen zu können.

Ohne Korruption war in feudalen Zeiten kein Staat zu machen. „Schmieren“ (im Sinne von „prügeln“) meinte im Mittelhochdeutschen auch Bestechung: Die Wichse wurde damals schlagend aufgetragen. Freidank, ein Vagant, der sich am Kreuzzug FriedrichsII. beteiligte, wusste vor 800 Jahren: „Pfennincsalbe wunder tuot, si weichet manegen herten muot.“ Besonders bei Hofe waren derartige Gleitmittel unerlässlich. Dort empfahl sich „Dukatensalbe“, die Hartherzige erweichen sollte. Viel hat sich an dieser Praxis seither nicht geändert.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

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